Dilar Kisikyol ist Profiboxerin, Sozialpädagogin und Trainerin von Frauen mit Parkinson. Nun will die Weltmeisterin im Leichtgewicht weitere Projekte anschieben – und damit für Inklusion und Feminismus kämpfen.
Boxerin Dilar Kisikyol kommt nicht zur Ruhe. An diesem Mittwoch steckt sie irgendwo zwischen Sektfrühstück und Kaffeeklatsch. Sie hat einen Apfelkuchen gebacken, nun fehlt noch der Kaffee. Sie läuft aus der Halle und verpasst, als um 11.56 Uhr der erste Korken knallt. Iris, Ute, Bettina und die anderen haben den Sekt mitgebracht. Mit den Gläsern in der Hand stehen die Frauen nun ein bisschen neben dem Boxring herum und warten auf ihre Trainerin, die noch immer Kaffee kocht. Eine wirft einen Basketball, eine andere klärt die Gäste von der Presse auf: „Der Sekt ist alkoholfrei, natürlich.“ Ist ja eigentlich schon Trainingszeit, nur gibt es heute etwas zu feiern.
Iris Wilhelm will das Gespräch in der Boxhalle in Winterhude ein wenig anheizen und erzählt, dass Boxkämpfe für sie als Kind das Einzige gewesen seien, wofür ihre Mutter sie länger habe aufbleiben lassen; Boxkämpfe und die Mondlandung. Iris Wilhelm ist heute 65 Jahre alt, zum Boxen kam sie erst, als sie an Parkinson erkrankte.
Wilhelm und die anderen Frauen boxen jeden Mittwoch gegen die Krankheit an, zehn Sekunden trippeln sie auf der Stelle, das sind die Boxerläufe für die Kondition, danach das Schattenboxen gegen das Zittern. „Es hilft“, sagt Wilhelm. Sie fühle sich ruhiger nach dem Training, das Zittern bleibe für mehrere Stunden aus. Gemeinsam mit zwei anderen Frauen war sie es, die auf den Hamburger Boxverband zukam und nach einem Angebot für Parkinsonpatient:innen fragte. Sie hatte eine Doku über die positiven Auswirkungen im Fernsehen gesehen. Und dann saß irgendwann Dilar Kisikyol vor ihnen, die Frauen- und Inklusionsbeauftragte des Hamburger Boxverbandes, und sagte: „Lasst es uns einfach probieren!“
Neulich, als die 30-jährige Kisikyol in Hamburg um die Weltmeisterschaft boxte, waren die Frauen alle dabei. Der goldene Weltmeistergürtel liegt jetzt hier in der Halle, und die Frauen stoßen endlich gemeinsam an: „Auf Dilar, auf die nächste WM!“
Für sie ist Dilar Kisikyol schon ein Star, sie muss da gar nicht mehr viel machen. Sie selbst sieht das ein bisschen anders.