Proteste am Bauzaun : Luxusmieten im Bernhard-Nocht-Quartier

Es ist so gekommen, wie Initiativen es befürchtet hatten: Normalverdiener werden sich die Mieten im Bernhard-Nocht-Quartier auf St. Pauli nicht leisten können. 16,70 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter will ein Vermieter für eine Wohnung haben. Die Anwohner laufen Sturm, die Polizei ermittelt jetzt gegen Protestler.

Ist das Sachbeschädigung? Protest-Plakat am Bauzaun des Bernhard-Nocht-Quartiers.

„Das riecht nach Ärger“ steht auf einem Plakat am Bauzaun vor dem Bernhard-Nocht-Quartier auf St. Pauli, „Keine Rendite mit der Miete“ auf einem anderen. Rund 20 Aktivisten der Kampagne SOS St. Pauli, die sich gegen Verdrängung auf dem Kiez einsetzt, bringen die Sprüche gegen Wahnsinns-Mieten am Samstagnachmittag an dem Zaun an: Bei Facebook hatten sie zur Aktion „Verschöner your local Bauzaun“ aufgerufen. Zwischen den Sprüchen hängen Schwarzweißfotos von dem Haus, das im Februar abgerissen wurde und gerade neu gebaut wird. Um die Mieten in den entstehenden Wohnungen ist nun ein Streit entbrannt: Im Internet war vergangene Woche eine Anzeige aufgetaucht, in der ein Quadratmeterpreis von 16,70 Euro verlangt wurde. Fast 2200 Euro kalt soll die 130-Quadratmeter-Wohnung kosten, inklusive kalter Nebenkosten. „Das ist bestimmt nur ein Testballon“, glaubt einer der Aktivisten am Bauzaun und befürchtet noch höhere Mieten, wenn der Bau erst einmal abgeschlossen ist.

Die Wohnungsanzeige klingt eher nach Blankenese als nach St. Pauli. „Parken Sie sicher in der objektbezogenen Tiefgarage“, hieß es in der Anzeige bei immonet, die inzwischen wieder aus dem Netz verschwunden ist. Werbung für die Luxuswohnung wird sogar mit den Anwohnern gemacht, die sich gegen so hohe Mieten in ihrer Nachbarschaft wehren: „St. Pauli ist ein Stadtteil in Bewegung, voller Überraschungen und interessanter Menschen“, schreibt der Vermieter. Darauf reagieren die Aktivisten um SOS St. Pauli empört, der Tonfall wird aggressiv. „Ihr werdet euch noch wünschen, eure interessanten Nachbarn niemals kennengelernt zu haben“, haben sie auf ein Plakat am Bauzaun geschrieben. Und: „Verpisst euch, ihr Geldsäcke!!!“

„Unfassbar“ findet diese Entwicklung der Mieten auf St. Pauli auch Stadtplanerin Janne Kempe von der GWA St. Pauli. Der Verein mit Sitz am Hein-Köllisch-Platz macht im Viertel Kultur- und Sozialarbeit und beobachtet den Wohnungsmarkt mit Argwohn. Luxusmieten im Bernhard-Nocht-Quartier hatten Kempe und SOS St. Pauli befürchtet, doch kaum jemand wollte sie ernst nehmen. Jetzt ist es genauso gekommen, wie sie es prognostiziert hatten. „Diese Mieten kann sich hier keiner leisten“, sagt sie. „Das zeigt genau, was auf St. Pauli in Zukunft auf uns zukommt.“ Verantwortlich für diese Entwicklung sei die Politik, die den Investoreninteressen in die Hände spiele. Ihre Forderung: „Es dürfen nur noch Neubauten für sozialen Wohnungsbau genehmigt werden!“

"Ihre Meinung zum Bernhard-Nocht-Quartier?" Auf solchen Plakaten tun Anwohner in der Nachbarschaft ihren Unmut über die hohen Mieten kund.

Auch der Mieterverein zu Hamburg macht die Politik verantwortlich. „Das sind nicht die Wohnungen, die wir in Hamburg brauchen“, sagt dessen zweiter Vorsitzender Siegmund Chychla. Denn: „Wer so viel Miete bezahlen kann, kann sich auch eine Eigentumswohnung leisten“, sagt er. Deswegen spricht sich auch Chychla für den verstärkten Bau von Sozialwohnungen aus. „Die Stadt muss bei der Vergabe von Grundstücken darauf achten, dass  keine Luxuswohnungen gebaut werden.“

Und sogar der Vermieter sieht die Verantwortung bei der Stadt, die schließlich den Grundstückspreis bestimmt habe. „Bei Neubauten müssen sie mindestens 12 Euro nehmen, um die Kosten reinzubekommen“, sagt ein Sprecher von Prelius Deutschland. Die Firma verwaltet die Wohnung für den Eigentümer. „Sie würden auch das bauen, wofür es die größte Nachfrage gibt“, wirbt er um Verständnis für die Bauherren im Bernhard-Nocht-Quartier. Die Kaltmieten der übrigen Wohnungen würden zwischen 12 Euro und 15,50 Euro liegen – ohne Nebenkosten. „Im reinen Neubau ist das kein Wucher“, sagt der Sprecher mit Verweis auf die gehobene Ausstattung der Wohnung und das Wohnumfeld. „St. Pauli ist auch einfach ein Trendbezirk.“

Aus dem Bezirksamt-Mitte war am Montag keine Stellungnahme zu erhalten. Leiter Andy Grote (SPD) werde sich nach seinem Urlaub dazu äußern, sagte eine Sprecherin.

Der Protest am Bauzaun war nicht lange sichtbar und hat ein juristisches Nachspiel. Nach nur einer Stunde entfernten Polizisten aus der nahen Davidwache die Plakate und Spruchbänder wieder. „Das sind Beweismittel“, sagte Polizeisprecher Holger Fehren zu Hinz&Kunzt. Die Beamten ermitteln nun wegen Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gegen die Aktivisten, weil sie ihre Aktion nicht bei der Polizei angemeldet hatten.

Text und Fotos: Benjamin Laufer