Leichte Sprache : „Mein Leben hat mit einem Kampf begonnen“

Leichte Sprache
Ulrike Stender-Killgusz (links) trainiert mit Dilar Kisikyol in einer Boxhalle. Foto: Miguel Ferraz

Dilar Kisikyol ist von Beruf Boxerin.
Sie ist die Welt-Meisterin im Leicht-Gewicht.
Sie macht auch Sport mit Frauen,
die die Krankheit Parkinson haben.
Dilar möchte aber viel mehr.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Eine kleine Feier für Dilar

Die Boxerin Dilar Kisikyol läuft nervös durch die Box-Halle.
Sie hat einen Apfelkuchen gebacken,
jetzt muss sie noch den Kaffee kochen.
Die Frauen Iris, Ute, Bettina und einige andere
wollen mit Dilar etwas Sekt trinken.
Sie haben schon die Gläser in der Hand
und warten neben dem Boxring auf Dilar.
Dilar ist die Trainerin der Frauen.
Und heute gibt es für alle etwas zu feiern.

Iris Wilhelm erzählt,
dass sie früher im Fernsehen Box-Kämpfe gesehen hat.
Ihre Mutter hatte ihr das erlaubt,
sie durfte dann erst ganz spät ins Bett.
Iris ist heute 65 Jahre alt.
Als sie später die Krankheit Parkinson bekam,
hat sie selbst mit dem Sport Boxen begonnen.
Menschen mit Parkinson bewegen sich langsamer,
weil die Muskeln ganz fest sind.
Die Muskeln zittern oder zucken auch oft.
Das Boxen hilft gegen Parkinson,
sagt Iris.
Sie ist dann ruhiger und
die Muskeln zittern einige Stunden nicht mehr.

Iris und die anderen Frauen boxen jeden Mittwoch
in Winterhude gegen ihre Krankheit Parkinson.
Sie laufen erst 10 Sekunden auf der Stelle.
Dann boxen sie allein,
das hilft gegen das Zittern von den Muskeln.
Iris und zwei andere Frauen hatten im Hamburger Box-Verband gefragt,
ob der Box-Verband ein Angebot für Menschen mit Parkinson hat.
Iris weiß aus dem Fernsehen,
dass Boxen gegen die Krankheit helfen kann.
So lernten sie Dilar Kisikyol kennen.
Dilar arbeitet für Frauen-Rechte und für Inklusion im Box-Verband.
Dilar sagte:
„Lasst es uns einfach probieren!“

Und jetzt wollen Iris und die anderen Frauen
mit Dilar Sekt ohne Alkohol trinken.
Dilar ist nämlich seit kurzem Welt-Meisterin!
Bei dem Kampf in Hamburg waren alle Frauen dabei.
Der goldene Gürtel für die Welt-Meisterin liegt jetzt in der Halle.
Die Frauen feiern endlich zusammen:
„Auf Dilar und auf die nächste Welt-Meisterschaft!“

Iris und die anderen Frauen finden,
dass Dilar Kisikyol ein richtiger Star ist.
Aber Dilar sieht das ein bisschen anders.

Boxerin und noch viel mehr

Zwei Wochen vorher sitzt Dilar Kisikyol in ihrem Büro.
Das ist direkt neben der Box-Halle.
Goldene Pokale, eine Liege und eine Mikrowelle sind dort.
Dilar war eben noch in der Halle und
hat zwei Männern beim Training zugesehen.
„Die Männer haben viel Zeit für den Box-Sport“, sagt Dilar.
Sie meint damit auch:
„Frauen müssen viel mehr für die Sache kämpfen.“

Dilar Kisikyol ist jeden Tag ab 8 Uhr in der Box-Halle.
Sie hat dort sehr viel zu tun:
Sie trainiert am Vormittag zwei Stunden,
macht Mittagessen,
telefoniert und organisiert Box-Trainings,
ruft bei Verbänden und Politiker*innen an,
erzählt von dem Training mit den Frauen.
Die Frauen kommen jeden Mittwoch um 14 Uhr für 2 Stunden.
Am Nachmittag trainiert Dilar wieder selbst.
Sie ist Boxerin von Beruf,
aber sie bekommt davon nicht genug Geld.
Die Männer haben dieses Problem nicht.
Dilar muss immer auch für Geld kämpfen:
Wer bezahlt sie und wer bezahlt das Training?

Dilar Kisikyol lacht viel.
Sie sagt zurzeit sehr gern:
„Im nächsten Leben werde ich Prinzessin.“
Vielleicht wünscht sich Dilar,
dass sie es gerne leichter hätte.
Aber sie kämpft auch gerne.

Die ersten Kämpfe

Dilar Kisikyol ist in der Stadt Leverkusen geboren.
Der Name Dilar ist aus der kurdischen Sprache.
Er bedeutet: „Feuerherz“.
Dilars Mutter war gleichzeitig mit drei Babys schwanger.
Dilar war von den drei Kindern am leichtesten,
sie war nur 1.500 Gramm schwer.
Das erzählt Dilar gern.
Vielleicht ist sie deshalb Boxerin geworden.
„Mein Leben hat mit einem Kampf begonnen“,
so sagt Dilar das.

Dilar wusste als Kind lange nicht,
was sie machen und werden will.
Ihre vier Geschwister hatten klare Pläne für die Zukunft.
Dilar war nicht gut in der Schule
machte verschiedene Sachen ohne Ziel.
Sie spielte mal Fußball, mal Basketball, sogar Klavier.
Die Klavierlehrerin aber wusste:
Dilar hat andere Stärken.

Dilar fand Boxen sehr interessant.
Sie wollte mit 16 Jahren zum ersten Mal zum Training gehen,
aber sie ging aus der Halle wieder raus.
Dort waren nur Jungs und sie das einzige Mädchen.
Sie ging dann mit einer Freundin hin.
Zusammen blieben sie über eine Stunde beim Training.
Dilar gefiel das Training sehr gut.
Sie liebte diesen Sport,
der passte sehr gut zu ihr.
„Das Boxen hat mir Hoffnung gegeben“, sagt sie.
Dilar wollte in der Zukunft sehr gerne Boxerin sein.
Sie machte eine Ausbildung als Trainerin
und eine Ausbildung als Sozial-Pädagogin.
So kann sie mit dem Sport anderen Menschen im Alltag helfen.
Und sie boxte selbst immer weiter.

2019 ging sie nach Hamburg.
Hier machte sie das Boxen zu ihrem Beruf.
Sie wollte eigentlich nur im Hamburger Box-Verein arbeiten.
Dann trainierte sie dort und
die Firma „Universum“ hat ihr richtige Kämpfe angeboten.
Dilar ist heute eine der drei besten Boxerinnen auf der Welt!
Im November 2022 wurde sie sogar Welt-Meisterin.
Das war vorher auch eine Boxerin aus Deutschland,
die das Boxen von Frauen sehr bekannt gemacht hat.
Diese Boxerin heißt Regina Halmich.

Sport kann Menschen helfen

Dilar Kisikyol findet,
dass der Sport vielen Menschen helfen kann.
Sie trainiert nicht nur die Frauen mit Parkinson.
Dilar trainiert auch Menschen mit Behinderungen.
Zum Beispiel ist sie die Trainerin von einem Boxer,
der das Down-Syndrom hat.
Menschen mit Down-Syndrom lernen oft viel langsamer.
Sie gibt auch Kurse für Firmen,
damit bekommt sie noch etwas Geld dazu.
Gern möchte Dilar auch Kurse in Schulen unterrichten.
Das Boxen kann viele Menschen zusammen bringen
und gegen zu viel Gewalt helfen.
Denn Boxen ist nicht nur Kraft,
sondern man muss auch im Kopf sehr klar und stark sein.
Man muss stark bleiben können und wirklich kämpfen wollen.

Sie selbst möchte noch mehr werden als Welt-Meisterin.
Sie möchte einen Erfolg für alle Frauen.
„Frauen sollen zusammen arbeiten,
nicht gegen andere Frauen kämpfen“, sagt sie.
Frauen dürfen nur beim Boxen gegen andere Frauen kämpfen.
Aber was wird sie machen,
wenn sie keinen Erfolg hat?
„Dann werde ich eben Prinzessin“,
sagt Dilar.

Übersetzung in Leichte Sprache: Capito Hamburg

Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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