Zukunft in Sicht

Patrick, 45, verkauft in der Mönckebergstraße.

(aus Hinz&Kunzt 232/Juni 2012)

Patrick will in Köln mit seiner Ehefrau neu durchstarten.

Patrick hat unglaubliches Glück: Bald wird er wieder eine Wohnung in Köln beziehen. Seine Zeit ohne Obdach wird nach einem knappen Jahr vorbei sein. Allerdings war sie längst nicht die ­härteste in seinem Leben. „Ich habe schon drei Dinge in meinem Leben ­erlebt, die schlimmer waren“, sagt der Mann mit den gegelten Haaren und dem durchdringenden Blick. Als Zehnjähriger wird er nach einer bis dahin glücklichen Kindheit von einem Fremden sexuell missbraucht, mit 17 erkrankt er an Hodenkrebs. Den besiegt er nach drei Jahren Chemotherapie. Danach führt er erst einmal ein bürgerliches ­Leben: Patrick macht eine Ausbildung zum Industriekaufmann, arbeitet als Verwaltungsfachangestellter an der ­Kölner Uni. Die Probleme aus früheren Tagen scheinen überwunden – wenn da nicht seine Wutausbrüche wären. „Ich habe immer alles geschluckt, bis es aus mir herausgebrochen ist“, sagt Patrick. Seine Wut bringt ihn 1998 sogar ins Gefängnis. Patrick rächt sich an einem Jugendlichen, der ihn zuvor überfallen habe, erzählt er. Zusammen mit zwei Komplizen habe der ihm ein Messer an den Hals gehalten und ihn beraubt.

Dafür verprügelt Patrick ihn wenig später so sehr, dass der junge Mann ein halbes Jahr im Krankenhaus liegen muss. „Ich war halt sauer gewesen“, sagt er. Sieben Jahre muss er dafür ins Gefängnis. „Selbstjustiz. Das wird hart bestraft in Deutschland“, sagt Patrick, der seine Tat bereut.

An die Zeit hinter Gittern denkt er mit gemischten Gefühlen zurück. „Es ist schlimm, wenn man die Tür nicht selber aufmachen kann“, erinnert er sich. Der Knast hat aber auch etwas Gutes für ­Patrick. Hier lernt er, seine Wut in den Griff zu bekommen. „Es ist hart, weil man sehr an sich arbeiten muss“, sagt er. Er macht dort eine Therapie, holt das Abitur nach. Irgendwann trifft er ­dort sogar sein Opfer, die beiden ­entschuldigen sich gegenseitig für ihre Taten. „Das hat mir gut getan“, erinnert sich Patrick.
Nach dem Knast ging es erst einmal wieder aufwärts. Er heiratet, findet ­einen Job. In Köln kann das Paar dann seine Miete nicht mehr bezahlen, weil Patricks Arbeitgeber im Insolvenz­verfahren steckt und ihm keinen Lohn mehr bezahlt. Der Vermieter schmeißt sie raus. Aber zum Glück haben sie Freunde, die sie manchmal aufnehmen. „Wir waren zwar wohnunglos, ­haben aber wenig auf der Straße gelebt“, ­sagt Patrick.

Im Herbst 2011 treibt es die beiden nach Hamburg – „Just for fun!“, wie er sagt. Seit November verkauft Patrick Hinz&Kunzt in der Mönckebergstraße. „Das hat uns die ganze Zeit am Leben gehalten“, sagt er. Nicht nur das Geld, auch die Kontakte mit den Kunden. ­Jeden Abend kommt ein ehemaliger Richter an seinem Verkaufsplatz vorbei und die beiden unterhalten sich eine halbe Stunde lang. Wenn Patrick davon erzählt, wirkt er sehr zufrieden.Vielleicht auch, weil er weiß, dass das alles bald ein Ende hat. Spätestens, wenn er seine Wohnung in Köln bezieht.

Hinz&Kunzt: Was hast du diese Woche ­Besonderes erlebt?
Patrick: Ich erlebe jeden Tag etwas ­Besonderes. Durch das Verkaufen lernt man jeden Tag neue Leute kennen.

H&K: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Patrick: Gesundheit und Glück, auch für meine Ehefrau. Wir sind in fünf Jahren noch nicht einmal mit Streit ins Bett ­gegangen. Das soll auch so bleiben.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante