Dortmund : Wohnungsloser stirbt bei Polizeieinsatz

Nach einem Tasereinsatz ist ein wohnungsloser Mann in Dortmund gestorben. Foto: Gehrhardt

In Dortmund ist am Mittwochmorgen ein wohnungsloser Mann ums Leben gekommen. Er starb, nachdem Polizeikräfte bei einem Einsatz mit einem Taser, einer Elektroschockpistole, auf ihn schossen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Dortmund und der Polizei Recklinghausen hatten Anwohner:innen die Polizei gerufen, weil ein 44-jähriger wohnungsloser Mann in den Morgenstunden im Stadtteil Dorstfeld laut schreiend gegen Autos geschlagen haben. Als die Polizei eintraf, habe der Mann versucht, in den Wagen zu gelangen und einen Polizisten verletzt. Nachdem die Polizeikräfte einen Taser auf ihn gefeuert haben, brach der Mann zusammen und „wurde reanimationspflichtig“. Im Krankenhaus sei später sein Tod festgestellt worden.

Viel wissen die AnwohnerInnen nicht über den Mann, den viele zumindest vom Sehen kennen. „Der ging hier immer die Straße lang, aber wie er hieß, weiß ich nicht“, sagen viele. Einige sagen, er habe in einem Gebüsch in der Nähe seinen Schlafplatz gehabt. „Er hat viel mit sich selbst gesprochen und wirkte oft verwirrt“, sagt eine Anwohnerin. „Aber der war lieb“, ergänzt ihr Mann. Ein Anwohner erzählt, dass der Wohnungslose auch einen Passanten, der ihm helfen wollte, angegriffen habe. „Dann kam aber auch schon die Polizei.“ Später habe er gesehen, wie Polizisten versucht hätten, den Mann zu reanimieren. Noch am Mittwoch soll der Verstorbene obduziert werden, zudem seien toxikologische Untersuchungen eingeleitet worden, um zu klären, ob er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Ermittelt wird durch die Dortmunder Kollegen in Recklinghausen.

Am Mittwoch gab die Staatsanwaltschaft Dortmund erste Ergebnisse der Obduktion bekannt. Wie die Ruhr Nachrichten berichten, hatte der 44-Jährige ein „schwer vorerkranktes Herz“ gehabt und sei unter Alkoholeinfluss gewesen. Ein weiteres Gutachten soll klären, wie hoch der Alkoholgehalt im Blut war.

Was nicht klar ist: ob der Einsatz des Tasers gegen den Mann auch zu seinem Tod geführt hat. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sei der Mann direkt nach dem Einsatz noch ansprechbar gewesen, dann aber kollabiert. Zudem hatte, so die Ruhr Nachrichten weiter, er wegen einer psychischen Erkrankung einen Betreuer.

Die Straße macht krank

Wohnungslosigkeit und Krankheit hängen eng miteinander zusammen. Wohnungslose ohne Unterkunft haben einen schlechteren Gesundheitszustand, sind häufiger von Infekten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Sucht- und psychischen Erkrankungen betroffen. Eine Studie der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) über verdeckte Wohnungslosigkeit in NRW brachte alarmierende Ergebnisse: 40 Prozent der Wohnungslosen ohne Unterkunft nannten körperliche Erkrankungen, die Hälfte bezeichnete sich als suchtkrank, 30 Prozent litten an einer psychischen Erkrankung. Mehr als 70 Prozent der Suchtkranken ohne Unterkunft waren nicht in ärztlicher Behandlung. Mehr als ein Drittel der Wohnungslosen ohne Unterkunft sagt, sie seien ohne Krankenversicherungskarte. Eingeschränkte Leistungen bei Beitragsschulden, der Mangel an maßgeschneiderten Hilfsangeboten und die Angst vor Stigmatisierung schaffen zusätzliche Ausschlüsse.

In Hamburg hat Nina Asseln 2018 in ihrer Dissertation erforscht, dass Wohnungslose im Schnitt 30 Jahre früher sterben als Normalwohnende: mit im Schnitt 49 Jahren. Für ihre Studie hatte Asseln die medizinischen Berichte von rund 260 zwischen 2007 und 2015 in Hamburg verstorbenen Wohnungs- und Obdachlosen untersucht. 70 Prozent der Untersuchten wiesen eine Herz- oder Gefäßerkrankung auf.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise vom Straßenmagazin bodo zur Verfügung gestellt, das in Bochum und Dortmund erscheint.

Autor:in
Alexandra Gerhardt

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