Kulturfestival SoliPolis : Vorhang auf im Zonck

Das Festival SoliPolis feiert zwei Wochen lang an unterschiedlichen Orten die Veddel und ihre Bewohner. Mittendrin: die Eckkneipe Zonck mit Thekenmann Karsten Löffler. Foto: Andreas Hornoff.

Das Festival SoliPolis feiert ab dem 15. September die Veddel und ihre Bewohner. Mittendrin: die Eckkneipe Zonck  – hier wird die Theke zur Bühne für Schauspielprofis und Laien.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Eigentlich steht Karsten Löffler hinter der Theke und nicht auf der Bühne. Im Café Zonck auf der Veddel begrüßt der 55-Jährige seine Gäste herzlich. Sie kennen sich in der Eckkneipe, und sie halten zusammen hier. An den Wänden blinken Spielautomaten, aus den Boxen tönt Rockmusik.

Zigarettenrauch hängt in der Luft, das Licht ist schummrig. Dass das bald die Bühne für ein Theaterstück sein wird, man kann es sich nur schwer vorstellen. Aber beim SoliPolis-Festival im September ziehen hier professionelle Schauspieler ein. Und Leute wie Karsten, die von Schauspielerei so gar keine Ahnung haben.

Seine Theke wird dann zur Bühne, und er selbst schlüpft in eine Rolle. „Ich bin der Blinde unter den Sehenden“, sagt er und schmunzelt. Seine Bilanz nach den ersten Proben könnte jedoch kaum positiver ausfallen: „Das ist eine wunderbare Erfahrung, mir macht das Spaß!“

Unzählige Interviews geführt

Die Idee, dass Café Zonck zum Spielort beim Festival zu machen und die Belegschaft mit einzubinden, kommt nicht von ungefähr. Die Festivalmacherinnen von New Hamburg, einer Kooperation des Schauspielhauses mit dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Hamburg-Ost, möchten ganz nah bei den Veddel-Bewohnern sein. Ihren Bedürfnissen wollen sie eine Plattform geben, ihre Probleme sichtbar machen.

„Ein Zuhause für gestrandete Seelen.“– Karsten Löffler

Um die zu erfahren, haben sie zahllose Interviews auf der Elbinsel geführt. „Das war über Monate unsere einzige Arbeit: Leute kennenlernen“, erzählt Sina Schröppel von New Hamburg. Dabei trafen sie auch Karsten. Er begrüßt die Organisatorinnen auf der Straße inzwischen wie alte Freundinnen.

Mit ihrem Vorhaben treffen sie bei ihm einen Nerv: „Wir sind der vergessene Stadtteil, sage ich immer.“ Ihn stört etwa, dass es nur einen Briefkasten auf der Veddel gibt und dass dem einzigen Geldautomaten auch schon mal das  Bargeld ausgeht, wenn am Monatsende die Hartz-IV-Empfänger endlich wieder flüssig sind.

SoliPolis: Zonck

So, 16.9., Zonck: Ein Abend über Freiheit, Zusammenhalt und große Businessideen, Veddeler Damm 10, 20 Uhr, Eintritt auf Spendenbasis, ab 18 Jahren. Weitere Termine: Do, 20.–Sa, 22.9., 20 Uhr: SoliPolis-Programm zum Download.

„Ein barrierefreier Aufgang zum Bahndamm wäre auch wichtig“, sagt Karsten. Wünsche, die das Team von New Hamburg immer wieder hört. Ihr SoliPolis-Festival will zeigen, wie man es anders machen, wie eine solidarische Stadt aussehen könnte. Und zwar für alle, egal woher, egal ob hier gebürtig, auf der Suche nach Arbeit hergekommen oder hierhin geflüchtet.

Jeder ist willkommen

Zwei Wochen lang sollen Theaterstücke, Konzerte, Workshops und Tanzperformances die Veddel und ihre Bewohner feiern. Da passt das Café Zonck super rein. „Das ist ein Zuhause für gestrandete Seelen“, sagt Karsten. Zwar tummeln sich an der Theke vor allem die wenigen deutschen Veddel-Bewohner ohne Migrationshintergrund, für die das hier ein Refugium ist.

Doch Karsten stellt klar: „Wir behandeln alle gleich, jeder ist willkommen.“ Dann kommt der Chef rein, großer Bahnhof, Karsten nimmt ihn in den Arm. Vielleicht ist das ein sehr typischer Moment für die Veddel – denn der Chef der Kneipe, in die die Deutschen gehen, er heißt: Erkan

Artikel aus der Ausgabe:

Happy Birthday, Veddel!

Seit 250 Jahren gehört die Elbinsel zu Hamburg. Wir führen durch den bunten Stadtteil und stellen einige der Menschen vor, die hier leben: So wie Titelheld Yilmaz Kotan. Sein Gemüseladen ist – neben dem Penny-Markt – das einzige Geschäft auf der Veddel.

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Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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