Porträt : Uli Pforr: „Knallen muss es“

Die bunten Bilder von Uli Pforr sind schwer zu übersehen. „In meinem Kopf ist immer ganz viel los“, sagt der Künstler.  Leerstellen sucht man auch auf seinen knallbunten Bildern vergeblich. Wir haben den 37-jährigen Künstler in seinem Atelier auf der Veddel besucht. 

Dicht an dicht stehen die alten Klinkerbauten auf der Veddel. Die rotbraunen Häuserriegel ziehen sich bis zur S-Bahn-Station. In der uniformen Umgebung das Atelier des Hamburger Malers und Illustrators Uli Pforr zu finden, ist keine große Kunst. Grellbunt leuchten die Farben aus dem Schaufenster heraus. Es ist ein bisschen so, als hätte jemand eine Ladung Farbbeutel gegen die Hauswand geworfen und sich an dem hübschen Ergebnis erfreut.

„Kann gleich losgehen, ich muss mir nur noch schnell meinen Dampfer holen“, sagt der Künstler und lächelt entschuldigend. Pforr hat gerade mit dem Rauchen aufgehört. Er nimmt einen kräftigen Zug aus seiner eleganten E-Zigarette. „Wenn es jetzt noch klappen würde mit dem Durchschlafen, wäre das ein Traum“, sagt er, während er frischen Kaffee auf den Tisch stellt.

Wie Wimmelbücher für Erwachsene

Wie er da so sitzt, inmitten seiner Kunst, wirkt er fast wie ein Teil davon. Pforr malt Bilder, die an die bekannten Wimmelbücher für Kinder erinnern. Nur eben für Erwachsene. Er füllt die Leinwand immer randvoll: mit Menschen, Tieren, ein einziges Gewusel in Grell. Was hat er gegen Schwarz-Weiß? Pforr lacht. „Ich habe schon öfters versucht, mal zu reduzieren. Aber spätestens nach einer Woche komme ich dann doch dahin und knalle es wieder voll.“

Achtung, Sie verlassen den grauen Alltag und betreten die bunte Zone: Uli Pforr in seinem Atelier auf
der Veddel. Foto: Mauricio Bustamante.

Wieso er so gern die Farben raushaut, hat er sich selbst auch schon oft gefragt. Und eine plausible Erklärung parat, weshalb es auf seinen Bildern tendenziell so aussieht, als hätte eine Hippie-Kommune sich im Psychopilze-Rausch selbst verwirklicht. „Es ist immer ganz schön viel los in meinem Kopf, was raus muss.“

Aber so bunt war es nicht immer im Leben des heute 37-Jährigen. Seinen ersten Erfolg verdankt er einer persönlichen Katastrophe. Damals studierte er noch Kommunikationsdesign und Illustration. Aber zu den Vorlesungen erschien er nur selten. „Der Direktor hat mich kaum noch gegrüßt, weil er dachte, ich sei ein fauler Sack oder ein arrogantes Arschloch, dabei konnte ich nicht mehr U-Bahn fahren, weil mir das zu viel war.“ Pforr litt unter Panikattacken. Diese Angst wurde irgendwann so schlimm, dass er sich selbst in die Psychiatrie einwies. „Da habe ich krasse Sachen erlebt“, sagt Pforr und nimmt einen langen Zug.

Arm in Arm mit Prostituierten und Oberärzten

Seine Erfahrungen zeichnet er als Comic und reicht sie als Abschlussarbeit ein, „jetzt, wo eh alles egal ist“. Womit Pforr nicht rechnet: Seine Geschichte wird zum großen Erfolg, er bekommt Bestnoten. Als er den Comic ausstellt, sprechen ihn Bekannte an und erzählen, dass auch sie schon unter Angstzuständen gelitten haben. „Da waren Leute dabei, von denen ich das nie gedacht hätte“, sagt Pforr.

Die Erfahrung macht ihm Mut, seinen Weg weiterzuverfolgen. Aber er will keine weiteren Comics zeichnen. Es zieht ihn zur Malerei. Weniger Begrenzungen. Mehr Freiheit. Das ist es, wohin er will. Eines Tages von der Kunst leben können. Seine Bilder sind damals aber noch deutlich düsterer als heute.

Neustart“ heißt dieses Bild, das Uli Pforr zugunsten von Hinz&Kunzt verlost.
„NEUSTART“ heißt das Bild (Ausschnitt), das Uli Pforr zu Gunsten von Hinz&Kunzt gemalt hat und im Rahmen seiner aktuellen Ausstellung Kopfkino im „Only Art Club“ verlosen wird.

Am wohlsten fühlte sich der Künstler jahrelang im Schutz der Nacht. Dort trifft er auch auf die Menschen, die er bis heute am liebsten malt: Nachteulen, sogenannte Randexistenzen, Grenzgänger. „Im Inneren bin ich auch so rastlos wie sie“, sagt Pforr.

Er hat da auch wieder so eine Theorie: Man fände sich, wortlos. „Man zieht sich irgendwie an“, sagt er und lächelt. Er kostet das Nachtleben voll aus, schlägt über die Stränge, auch Drogen sind im Spiel. Von seiner „wilden Zeit“ zehrt er noch heute. „Ich habe da Arm in Arm gesessen mit Prostituierten und mit Oberärzten. Menschen, die sich tagsüber nicht mal angucken würden.“

Früher hatte er einen Ein-Euro-Job

Tagsüber malt er wie ein Besessener. In seinem WG-Zimmer kann man bald keinen Fuß mehr neben den anderen setzen, weil der Boden voller Bilder steht. Damals macht er bei einem Ein-Euro-Job für Künstler mit, malt auch für die Unterkunft Pik As. Die Menschen dort sind genau seine Kragenweite. „Da war dieser Kunstfälscher, der das nur tat, damit er Kohle für seine Familie verdient. Aber irgendwann hat seine Frau ihn rausgeschmissen.“

Pforr sieht sich in dieser Zeit   nicht so weit entfernt von denen, für die er malt. Allein das gute Verhältnis zu seinen Eltern habe ihn vor Schlimmerem bewahrt, sagt er. Als Kind hatte ihn sein Vater schon mit zu einer Comicausstellung geschleppt. Danach steht sein Berufswunsch fest. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt“, sagt Pforr.

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Einer der seltenen Momente, in denen der RASTLOSE Künstler einmal ganz entspannt ist. Vielleicht liegt’s an der E-Zigarette?

Seit 2012 kann er von seiner Kunst leben. Die Liste seiner Ausstellungen und Projekte ist so lang, dass man sich nicht mehr wundert, dass der Mann kaum Schlaf findet – am Nikotinentzug allein kann es nicht liegen. Neben seinen freien Arbeiten wird er regelmäßig für Auftragsarbeiten gebucht. Er hat schon die Bundeskanzlerin für ein Buchcover gemalt. Gerade setzt er letzte Pinselstriche an ein Bild für den Kreuzfahrtriesen „Mein Schiff 5“.

Im Garten hinter dem Haus posiert Pforr nun für Fotos. Kein Nachbar guckt. Nur ein paar Vögel unterhalten sich. Er hat Wurzeln auf der Veddel geschlagen. Weil sie Dorf und Stadt zugleich ist, sagt er. „Ich hatte hier mal eine Nachbarin, die hat immer fröhlich ihre klatschnasse Wäsche auf dem Balkon aufgehängt und das restliche Dreckwasser über die Balkonbrüstung geschüttet. Dafür hat sie sich auch nie beschwert, wenn ich mal laute Musik gehört habe.“ Das gefällt ihm an der Veddel. „Leben und leben lassen.“

Text: Simone Deckner
Fotos: Mauricio Bustamante/Uli Pforr

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