Kommentar zum Krieg gegen die Ukraine : „Es gibt keine guten und weniger guten Flüchtlinge“

Flüchtlinge warten auf den Evakuierungszug am Bahnhof in Kramatorsk in der Ostukraine. Foto: Actionpress / SOPA Images via ZUMA Press Wire

Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine sind auf der Flucht – und werden in der EU warmherzig aufgenommen. Hinz&Kunzt-Herausgeber Dirk Ahrens mahnt, Flüchtlinge von anderswo nicht zu vergessen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Seit dem Beginn des Überfalls auf die Ukraine vor einer Woche sind bereits eine Million Menschen auf der Flucht. Eine solche Menge Geflüchteter in so kurzer Zeit hat die Welt schon lange nicht mehr gesehen. Weitere Millionen werden vermutlich folgen. Da ist es geradezu beglückend, wie schnell und unkompliziert sich die EU für die vielen Menschen in Not geöffnet hat. Mich macht das dankbar.

Dabei gehen auch insbesondere jene Länder voran, die sich in den letzten Jahren der Aufnahme Geflüchteter verweigert haben. Weshalb die plötzliche Verhaltensänderung? Weil die Not größer ist? Weil es sich um Nachbarn handelt?

Es bleibt der Verdacht, dass für uns Flüchtling nicht gleich Flüchtling ist. Die sichtbare Not der vielen Menschen aus Syrien, Irak und Afghanistan auf den gefährlichen Routen nach Europa hat jedenfalls nicht ausgereicht, um die EU zum gemeinsamen Handeln zu bringen. Der Verdacht wird bestätigt durch die rassistischen Übergriffe auf aus der Ukraine geflohene afrikanische Student:innen. Ihre Berichte, insbesondere von der Grenze zwischen der Ukraine und Polen sind beschämend.

Gut, dass die systematische Diskriminierung schnell beigelegt werden konnte und Polen offiziell bekräftigte, dass wirklich alle Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine willkommen sind. Aber wer redet eigentlich heute noch von den elendiglich Gestrandeten in den Wäldern an der Grenze zwischen Belarus und Polen? Wen kümmern noch die Ertrinkenden im Mittelmeer? Und wie sind heute die Zustände in den griechischen Lagern?

Ich verstehe, dass unsere Aufmerksamkeit zurzeit durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine gebunden ist. Und dennoch müssen wir offensichtlich erst lernen, dass es keine guten und weniger guten Flüchtlinge gibt. Die Not ist gleich. Die Hilfsbedürftigkeit ebenfalls. Wie heißt es in den Menschenrechten, Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.

Deshalb macht mir das entschiedene Vorgehen der EU Hoffnung: Es besteht zumindest die kleine Chance, dass in diesem Moment endlich der längst überfällige Grundstein für eine gemeinsame humanitäre Flüchtlingspolitik der EU gelegt wird.

Autor:in
Dirk Ahrens
Dirk Ahrens ist Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes Hamburg, Landespastor und Herausgeber von Hinz&Kunzt

Weitere Artikel zum Thema