„Bitten Sie um eine geringere Miete“

Bei vielen Hilfeempfängern übernimmt die ARGE nicht mehr die vollen Mietkosten

(aus Hinz&Kunzt 171/Mai 2007)

Höchstens 318 Euro Miete darf ein alleinstehender Arbeitslosengeld-II-Empfänger für seine Wohnung zahlen. Wer darüber liegt, kann von der Arbeitgemeinschaft (ARGE) aufgefordert werden, die Mietkosten zu senken. Ob er sich genug bemüht hat, liegt im Ermessen seines Sachbearbeiters. Im schlimmsten Fall droht Obdachlosigkeit.

Schweigen ist Geld

Warum die Behörden nur ungern über die neue Sozialkarte sprechen

(aus Hinz&Kunzt 173/Juli 2007)

Ab diesem Monat können Bedürftige fünf Euro sparen bei der Monatskarte für Bahn und Bus. Werbung machen möchten Stadt und HVV für den Preisnachlass, der einer Mogelpackung gleicht, aber nicht. Und die ARGE, zuständig für die Abwicklung, wollte die Sozialkarte gleich ganz unter den Teppich kehren.

Hartzer Käse

Die Zwischenbilanz der Arbeitsmarktreform fällt verheerend aus. Ein Überblick

(aus Hinz&Kunzt 155/Januar 2006)

Der Behörde fehlt das versprochene Personal. Ursprünglich sollte ein ARGE-Berater für 150 Arbeitslose zuständig sein. Bei unter 25-Jährigen sollte der Betreuungsschlüssel bei 1 zu 75 liegen. Tatsächlich muss sich ein Mitarbeiter um 300 bis 400 Fälle gleichzeitig kümmern.

„Das ist pervers!“

Die ARGE Reinbek hat bereits 200 Arbeitslose zur Senkung ihrer Mietkosten aufgefordert – doch gibt es preisgünstige Wohnungen für sie?

(aus Hinz&Kunzt 151/September 2005)

Vor den Toren Hamburgs ist die Schonfrist für Arbeitslosengeld (ALG)-II-Empfänger abgelaufen: Bereits 200 der 2000 Haushalte hat allein die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Reinbek aufgefordert, die Mietkosten zu senken. Kritikern zufolge mangelt es jedoch an billigem Wohnraum.

Odyssee einer Familie

Wochenlang wird eine Mutter mit zwei Kindern ohne Geld durch Hamburgs Notunterkünfte geschickt

(aus Hinz&Kunzt 153/November 2005)

Sonnabend, 24. September: Birte Martins Pereira (39) kommt mit ihren beiden Kindern am Hamburger Hauptbahnhof an. Ihr Freund Andreas Eichelberg erwartet sie. Er ist schon seit mehreren Tagen in Hamburg. Beide sind vor Birtes Ex-Mann und ihrer Familie in Lübeck geflohen, von denen sie sich bedroht fühlen.

Das Ein-Euro-Versprechen

Vier Monate Hartz IV: Behördenmitarbeiter klagen über unzumutbare Arbeitsbelastung, und Erwerbslose sind auf sich allein gestellt

(aus Hinz&Kunzt 147/Mai 2005)

Persönliche Beratung, passgenaue Vermittlung: Mit diesen Schlagworten warben Politiker für Hartz IV. Doch vier Monate nach der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe herrschen katastrophale Zustände in Hamburg: Hilfeempfänger werden wahllos in Ein-Euro-Maßnahmen geschickt oder schlicht nicht betreut. Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) kämpfen mit Personalnot und unzulänglichen Computerprogrammen.

Kein guter Gutschein

Als Hinz&Künztler Uli mit seinem Geldbeutel sein ganzes Monatsbudget verlor, half die ARGE mit Lebensmittelgutscheinen aus. Eine zweifelhafte Hilfe angesichts der Probleme, die Uli hatte, die Gutscheine einzulösen

„Ich muss sie einfach irgendwo liegen lassen haben.“ Uli hat seine Brieftasche verloren –kann ja jedem mal passieren. Für Hartz-IV-Empfänger Uli war es aber mehr als nur ärgerlich. In seiner Geldbörse hatte er seine gesamte Barschaft für den Rest des Monats – 120 Euro – sein Monatsticket für den HVV, seine Ausweispapiere. Nun stand er ohne alles da. „Ich lasse mir mein Arbeitslosengeld II immer von Hinz&Kunzt auszahlen“, sagt Uli. Eine Weile hielt er sich noch ohne Bargeld über Wasser. „Ich hatte noch ein paar Vorräte zu Hause.“ Aber dann waren auch die aufgebraucht. „Hinz&Kunzt konnte ich nicht verkaufen: Ich konnte nicht in die Stadt fahren, um mir Hefte zu holen, weil ja meine Monatskarte auch weg war“, sagt Uli.

Uli FrankeEine Woche, bevor der neue Scheck eintreffen sollte, ging er zur Arge und bat um einen Vorschuss. „Ich wollte nicht viel, nur 20 Euro oder so, nur für was zu essen.“ Bargeld zu bekommen hatte er gar nicht erwartet: „Als ich schon mal in so einer Situation war, habe ich Lebensmittelgutscheine bekommen.“ Das hatte damals auch problemlos geklappt. Diesmal lief es nicht ganz reibungslos. Uli erhielt einen Ausdruck mit Stempel der Behörde. Der Wert dieses Gutscheins: 20 Euro.

Uli marschiert los in den nächsten Supermarkt, packt Brot, Milch, Butter in den Einkaufswagen – „so dass ich eine Woche damit auskommen.“ Im Kopf addiert er die Preise, um die 20 Euro-Grenze nicht zu überschreiten. An der Kasse die Ernüchterung: Das Geschäft will den Gutschein nicht annehmen. Sie hätten schlechte Erfahrungen bei der Einlösung gemacht, heißt es. „Vor lauter Wut wollte ich den Wagen erst stehen lassen“, sagt er. „Aber dann habe ich doch alles wieder in die Regale geräumt. Können die Mitarbeiter ja nichts für, für mein Pech.“

Uli probiert es beim Discounter. „Da war ich schlauer und habe vorher gefragt, ob ich den Gutschein einlösen kann.“ – Kann er nicht. Kopfschütteln auch im nächsten Laden. Im vierten Supermarkt würden sie den Gutschein schon nehmen – aber nicht ohne Vorlage des Personalausweises. Und den hat Uli ja nicht mehr.

Als Uli die kleine Odysee durch Wedel hinter sich hat, ist er hilflos und beschämt. Es fällt ihm schwer als Bittsteller aufzutreten. Und zu spät, um noch mal zur Arge zu gehen ist es auch.

Am nächsten Tag bittet er beim Amt um Hilfe – eine zusätzliche Bescheinigung oder andere Gutscheine gibt es aber nicht. „Da kann man nichts machen“, sagt die Sachbearbeiterin. „Soll ich verhungern?“, fragt der sehr schlanke Uli. Schließlich schreibt die Sachbearbeiterin ihm immerhin ihre Telefonnummer auf.

An diesem Tag probiert Uli es bei REWE. Er fragt eine Mitarbeiterin, ob er seinen Gutschein bei ihr einlösen könne. „Ohne Ausweis leider nicht“, sagt die Verkäuferin, holt dann aber doch den Filialleiter. Der erweist sich als sehr hilfsbereit. „Er hat sich meine Geschichte angehört, auch warum ich keinen Ausweis hab und nur diesen Gutschein“, sagt Uli. Der REWE-Chef  ruft bei der Arge an und lässt sich alles bestätigen.

Und Uli kann endlich seinen Einkaufswagen füllen.