Flüchtlingsunterkünfte : Strohhalme aus den 90ern

An fünf Plätzen könnten in Hamburg demnächst Wohnschiffe für Flüchtlinge festmachen. So etwas gab es in den 90ern schon einmal, als ähnlich viele Asylsuchende kamen – hoffentlich wiederholen die Behörden nicht ihre Fehler von damals.

wohnschiff_mauricio
So soll es angeblich nicht wieder werden: Wohnschiff im Hamburger Hafen.

Die Pläne für Flüchtlingsunterkünfte auf Schiffen werden konkreter: Fünf Liegeplätze sind laut Hamburger Abendblatt im Gespräch, bei einem solle noch in diesem Jahr ein Schiff vor Anker gehen. Die Zeitung berichtet von jeweils zwei geplanten Schiffen in Harburg und im Bezirk Mitte sowie einem möglichen Standort in Bergedorf.

Aus der Sozialbehörde heißt es, das seien allenfalls Vorschläge. Sie hatte die Hafenverwaltung im Juni damit beauftragt, mögliche Liegeplätze für die Flüchtlingsschiffe auf ihre Eignung hin zu prüfen. Ein abschließender Bericht liege dem Senator bislang nicht vor, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer auf Anfrage von Hinz&Kunzt. Gebe es Ergebnisse, müssten zunächst die Bezirke darüber entscheiden und sie dann den Anwohnern vorstellen. „Wenn am Ende ein Schiff kommt, sind wir schon zufrieden“, sagt Schweitzer.

Die Stadt greift zunehmend nach Strohhalmen, die wir schon aus den 1990er-Jahren kennen. Damals kamen ähnlich viele Asylsuchende nach Hamburg und die Behörden brachten manche nur notdürftig unter. Zum Beispiel auf der „Bibby Altona“, einem Wohnschiff für Flüchtlinge. Die Zustände dort: katastrophal. „So soll das nicht wieder werden“, versicherte uns Behördensprecher Schweitzer schon im Juni. Hinz&Kunzt wird das genau beobachten. „Es ist wichtig, dass die Behörden bei der Unterbringung die Menschenwürde nicht vergessen – Platznot hin oder her“, sagt unser Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.

Das gilt auch für die geplante Unterkunft in der Berzeliusstraße, die es ebenfalls in den 1990er Jahren schon einmal gab und damals für negative Schlagzeilen sorgte. 600 Flüchtlinge will die Stadt im Billbrooker Industriegebiet unterbringen. „Der geplante neue Standort wird sich deutlich von dem alten Standort unterscheiden, der 2002 abgerissen wurde“, versichert eine Sprecherin des städtischen Unterkunftbetreibers fördern und wohnen. Geplant seien moderne Modulhäuser mit kleinen abgeschlossenen Wohneinheiten mit eigener Küche und eigenem Sanitärbereich. Trotzdem: Insgesamt würden dann 1400 Asylbewerber dort in verschiedenen Unterkünften in der Nachbarschaft wohnen. Das klingt nach Ghettoisierung und ist eigentlich zu viel.

Die Unterbringung von Flüchtlingen auf ausrangierten Kreuzfahrtschiffen ist offenbar vom Tisch. Die Grünen in der Bürgerschaft hatten das im Juli ins Gespräch gebracht, die Sozialbehörde wollte es prüfen lassen. „Niemand wird ernsthaft damit gerechnet haben, dass wir eine Unterkunft auf einem Kreuzfahrtschiff eröffnen“, sagt Schweitzer jetzt.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante