Obdach- und Wohnungslosigkeit soll es bis 2030 nicht mehr geben. Doch Bundesregierung und Senat zögern, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.
Als Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) den Bürgerschaftsabgeordneten ihre Pläne fürs diesjährige Winternotprogramm vorstellt, gerät sie fast ins Schwärmen: „Wir sind deutschlandweit Vorreiter“, erklärt die Senatorin Mitte September im Sozialausschuss. 1090 obdachlosen Menschen werde die Stadt ab Anfang November ein Bett in einer Notunterkunft anbieten können. Und, so Schlotzhauer, es gehe nicht nur um Schlafplätze: Kern des Programms sei es, den Menschen „sehr aktiv Beratungen anzubieten“.
Worüber die Senatorin auch an diesem Abend nicht spricht: Trotz aller Bemühungen werden nur die wenigsten Obdachlosen, die das Programm nutzen, in eigene vier Wände vermittelt – vergangenen Winter waren es gerade mal 2 von 2930 Menschen, so die Sozialbehörde. Für die allermeisten wird es bis Frühjahr nicht mal ein Bett in einer städtischen Wohnunterkunft oder in einem Hostel geben (vergangenen Winter erhielten 67 Menschen ein solches Angebot) – sondern nur den Weg zurück auf die Straße.
Zwar erklärt der Senat inzwischen öffentlich, er wolle Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 abschaffen – ein Ziel, hinter das sich die Bundesländer nach Europäischer Union (EU) und Bundesregierung bereits vor
zwei Jahren gestellt haben. Doch wie der Weg dorthin aussehen soll, bleibt ungewiss. Die Stadt verweist auf bestehende Konzepte und ein „7-Punkte-Programm“, das sie im Sommer vergangenen Jahres vorgelegt hat. Die darin genannten Maßnahmen sind wenig konkret („Wohnungsbaupotenziale ausschöpfen“). Und was sich überprüfen lässt, gibt keinen Anlass für Optimismus. So plant die Stadt die „Gewinnung weiterer Wohnungen aus dem Bestand“. Die Ergebnisse sind bislang bescheiden: 50 sogenannte Belegungsbindungen für Sozialwohnungen hat die Stadt 2022 angekauft, in den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es 41, so die Stadtentwicklungsbehörde.