Streit über Obdachlosenunterkünfte : Willkommen in Niendorf! Oder?

Pastorin Maren Gottsmann betreut Obdachlose auf dem Gelände ihrer Niendorfer Gemeinde. Foto: Mauricio Bustamante
Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Stadt eröffnet in Niendorf zwei Einrichtungen für Obdachlose. In der Bevölkerung ist ein Streit darüber entbrannt, ob der Stadtteil der richtige Ort dafür ist.

Im Wohngebiet, gleich neben einer Kita mit 55 Plätzen, stehen vor der Nien­dorfer Erlöserkirche weiße Wohncontainer. Wie jeden Winter haben darin zwei Frauen ohne Wohnung eine Bleibe gefunden. Schon seit 13 Jahren beteiligt sich die Kirchengemeinde am Winternotprogramm. Mehr als 40 Obdachlose fanden hier seitdem Schutz. Ärger mit den Nachbar:innen habe es nie gegeben, heißt es.

Einen Kilometer Luftlinie von hier gibt es schon Ärger, bevor die Obdachlosen überhaupt eingezogen sind. In einem ehemaligen Pflegeheim gegenüber einer Grundschule und einer Kita will die Stadt ab Ende April sukzessive bis zu 118 Schwerkranke unterbringen, Menschen im Rollstuhl, Dialyse-patient:innen, Krebserkrankte. Nach so einem Standort habe man jahrelang händeringend gesucht, heißt es aus der Sozialbehörde. Ein Stück weiter den vielbefahrenen Garstedter Weg hinunter sollen zusätzlich 16 Obdachlose in einem Übergangswohnheim unterkommen, die entschlossen sind, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Das gab Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) Ende Februar auf einer Pressekonferenz bekannt – als Maßnahmen, um die Situation rund um den Hauptbahnhof zu entspannen.

Seitdem geht ein Riss durch den Stadtteil im Norden Eimsbüttels. In vielen Köpfen setzte sich offenbar das Bild fest, dass die Szene vom Hauptbahnhof mit den vielen verelendeten und alkoholkranken Menschen bald
in Niendorf das Straßenbild prägt. Schiefe Vergleiche des Stadtteils mit Astrid Lindgrens „Bullerbü“, das nun bedroht sei, werden angestellt. Eine Mutter sagt öffentlich, dass sie sich neuerdings aus Angst vor den Obdachlosen in den Schlaf weine. In Internetforen geht die Angst vor Spritzen im Gebüsch an der Kita um. Eine Initiative verteilt Flugblätter gegen die geplanten Einrichtungen.

Über solche Reaktionen aus der Bevölkerung können sie in der Erlöserkirche nur den Kopf schütteln. Vor dem Gemeindehaus hat sich an diesem Dienstag im März eine Gruppe von ­Ehrenamtlichen versammelt, die die Bewohnerinnen der Wohncontainer betreuen. Sie wollen am Abend gemeinsam zu einer Infoveranstaltung gehen, zu der die Behörde eingeladen hat, und dagegenhalten.

Wenn sie über Obdachlose sprechen, sprechen sie aus Erfahrung. „Das sind nicht nur Betrunkene und Drogenabhängige, das sind Menschen!“, sagt die 56-jährige Sabine Balgar, die seit dem vergangenen Jahr hier mit aushilft. „Es sind Leute, die unschuldig in diese Situation ge­kommen sind“, ergänzt der 83-jährige Heinz Dreyer, der von Anfang an ­dabei ist und schon viele unterschiedliche Menschen betreut hat: einen Alkoholkranken, misshandelte Sexarbeiterinnen, eine Transfrau. „Das gehört alles dazu“, sagt er. „Das läuft hier ­alles sehr gut.“

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Artikel aus der Ausgabe:

Gut geschlafen?

Wie schlecht Obdachlose schlafen – und was das für ihre Gesundheit bedeutet. Wieso es im Stadtteil Niendorf Widerstand gegen neue Hilfseinrichtungen gibt. Außerdem: Besuch im Zusatzstoffmuseum und Interview mit Kettcar-Bassist Reimer Burstorff.

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Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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