Bilanz Winternotprogramm : Nur zwei Obdachlose erhalten eine Wohnung

Das Winternotprogramm in der Friesenstraße. Foto: Mauricio Bustamante.

Im vergangenen Winter verbrachten etwa 650 Obdachlose im Schnitt die Nächte in städtischen Notunterkünften oder Wohncontainern. Nur zwei Obdachlose zogen in der Zeit das große Los. Sie leben seit dem Ende des Winternotprogramms in einer eigenen Wohnung.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Durchschnittlich 552 der 700 Betten in den beiden städtischen Notunterkünften für Obdachlose waren diesen Winter belegt. Das entspricht einer Auslastung von 80 Prozent. Kein einziger Platz mehr frei war hingegen bei den Kirchengemeinden. Die stellten auch in diesem Jahr knapp 100 Wohncontainer im gesamten Stadtgebiet bereit, in denen die Obdachlosen rund um die Uhr verweilen können. Im Sozialausschuss der Bürgerschaft stufte Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) das Winternotprogramm jetzt als „sehr erfolgreich“ ein.   

Zwischen Beginn des Winternotprogramms am 1. November 2022 und dem Ende am 31. März 2023 konnten 117 Obdachlose vermittelt werden. Im Vorjahr konnten 122 Obdachlose in eine Unterkunft oder eine Wohnung ziehen. Die meisten von ihnen leben jetzt in Wohn- und Pflegeheimen, einige auch in Hostels. 12 weitere Obdachlose bekamen nach Beratungen Tickets, um in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Eine neue, eigene Wohnung erhielten allerdings nur zwei Obdachlose – durch die Vermittlung der Kirchengemeinden und Hochschulen.  

228 Menschen wurden in die Wärmestube verwiesen. Die meisten von ihnen lehnten Beratungsgespräche ab oder haben eine Wohnung in ihrem Herkunftsland.  

Friesenstraße als Standort für „besonders vulnerable Obdachlose“ 

“Sorgen macht uns der gesundheitliche Zustand der Menschen”, sagte Schlotzhauer im Sozialausschuss. Laut Auswertung des Winternotprogramms gibt es mehr Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und eingeschränkter Mobilität. Nach Ende des Winternotprogramms konnten daher 115 Menschen im barrierefreien Standort Friesenstraße bleiben, bei denen eine „Rückkehr auf die Straße mit akuter Gefahr für Leib und Leben verbunden“ wäre. Im Vorjahr lag diese Zahl noch bei 80.  

Weitere 100 Menschen warten in der Friesenstraße auf die Vermittlung in eine öffentlich-rechtliche Unterbringung. Sie haben einen Leistungsbescheid.  

Beratungsaufwand zunehmend höher  

Im vergangenen Winternotprogramm haben bei 1300 Klient:innen knapp 4000 Beratungsgespräche stattgefunden. Laut Fördern&Wohnen wird der Beratungsaufwand zunehmend höher, da die Einzelfälle komplexer werden. Auch die Beantragung von gesetzlichen Leistungen, medizinischen Gutachten und Ausweispapieren sei von hohem Aufwand. Fördern&Wohnen hat daher pro Standort ein bis drei Sozialarbeiter:innen mehr als im Vorjahr angestellt. Auch die Wohnraumvermittlung werde schwieriger. Das sei der Situation auf dem Wohnungsmarkt geschuldet, erklärte Schlotzhauer im Sozialausschuss. 

Autor:in
Luca Wiggers
Luca Wiggers
1999 in Hannover geboren, hat dort Germanistik und Anglistik studiert und ist Anfang 2022 nach Hamburg gezogen. Seit Juni 2023 Volontärin bei Hinz&Kunzt.

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