Robert, 53, verkauft Hinz&Kunzt bei Edeka am Großen Burstah.
Als er das erste Mal runter in die Grube fuhr, hatte Robert Angst. Er erinnert sich an das Krabbeln und Holzschleppen durch die engen Tunnel unter der Erde, das Gebrüll der Vorarbeiter und das laute „Ding, Ding, Ding“ der Glocke zum Schichtende. Und daran, wie plötzlich alles vorbei war.
Geboren wurde Robert in der polnischen Kleinstadt Rypin, wuchs dort gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder auf. Mit 24 Jahren fing er im Bergwerk an, wie schon sein Vater. „Früher war das richtig gutes Geld!“ Doch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks galt die Grube bald nicht mehr als rentabel, Stellen wurden abgebaut, auch die von Robert. Der nahm die Abfindung – mit umgerechnet heute etwa 70.000 Euro war das viel Geld – und ging. Doch statt sich ein Taxi zu kaufen, wie er es sich eigentlich vorgenommen hatte, entschied er sich für: „Alkohol und Party“. So war das Geld schnell weg. Roberts Ehe zerbrach, und er stürzte in eine tiefe Krise. „Mein Kopf war zu“, sagt er.
Eine Zukunft sah Robert dann nicht mehr für sich in Polen. „Weißt du was“, sagt Robert nachdenklich, „ich bin kein Kommunist. Aber nach dem Kommunismus war es doppelt so schlecht wie vorher.“
Anfang der 2000er-Jahre wollte er einen Neustart versuchen und zog zu seinem Opa nach Hamburg-Billstedt. Doch als der kurze Zeit später starb, landete Robert auf der Straße. Seine Nächte verbrachte er von nun an nahe des Bismarck-Denkmals oder im „Clochard“ auf der Reeperbahn. Später machte er lange Platte an den Landungsbrücken, gemeinsam mit einer Gruppe Punks. Im Sommer wie
im Winter schlug er sich mit Betteln und Flaschensammeln durch.
Das ist vorbei. Statt auf der Straße lebt Robert seit vier Jahren mit seiner Freundin Tina in einem WG-Zimmer. „Sie hat ein gutes Herz“, sagt er. Weniger gut steht es um sein eigenes Herz. Kurz nachdem er vor drei Jahren von einem Tag auf den anderen aufhörte zu trinken, hatte er einen Infarkt: „Plötzlich war keine Luft mehr. Ganze linke Seite war kaputt.“ Auch eine Hand habe er nicht mehr spüren können. Zum Glück gelang es ihm noch, einen Rettungswagen zu rufen. Robert kam ins Krankenhaus, wo er sich langsam wieder erholte. Alkohol habe er nie mehr angerührt. Dabei helfe ihm auch der Hinz&Kunzt-Verkauf, so Robert. Denn der bringt Struktur in sein Leben.
Seinen Verkaufsplatz hat der 53-Jährige am Großen Burstah. Als er dort im Mai das erste Mal hinfuhr, war er ganz schön aufgeregt. Schließlich sei der Edeka-Markt in der Innenstadt ziemlich schick, findet Robert. Zur Kundschaft gehörten viele Menschen mit Krawatte auf dem Weg zur Arbeit. Das sind ungewohnte Kontakte. Doch die Aufregung war unbegründet: Alle hätten sich über den neuen Verkäufer gefreut, erzählt Robert. Inzwischen habe er sich eine echte Stammkundschaft aufgebaut, auch Hundefutter für seine Schäferhündin Aha bringt die ihm regelmäßig mit. „Es ist wunderbar“, sagt er und ergänzt: „Dafür möchte ich Dankeschön sagen. An Hinz&Kunzt und an meine Kundschaft.“
