Konzerte im Dunkeln : Licht aus, Spot aus!

Bei den Konzerten im Dunkeln in der Speicherstadt muss das Publikum den Musikern blind vertrauen. Ein Ohrenzeugenbericht von der Auftaktveranstaltung mit Gregor Meyle.

(aus Hinz&Kunzt 242/April 2013)

Nichts. Niente. Zero. Da ist nur absolute Dunkelheitheit. Ich sehe weder die Hand vor Augen noch sonst irgendetwas. Erst mal tief durchatmen. Ich bin jetzt Teil der wohl außergewöhnlichsten Konzerte Hamburgs: der Konzerte im Dunkeln. Seit März heißt es in der Dauerausstellung Dialog im Dunkeln: Ohren auf und scharf gestellt! Eine „besondere akustische Erfahrung“ versprechen die Macher. Die Idee dahinter: Sehenden die Welt von Blinden näherzubringen.

Von Blindenführern werden wir in Kleingruppen in den Saal geführt: Meine Hand liegt dabei auf der Schulter meines Vordermannes. Ich stoße trotzdem ständig an Stuhlbeine. Vor, hinter und neben mir wird aufgeregt geredet. Die Einweiser sagen uns, dass wir nach „Friederike“ rufen sollen, wenn wir auf die Toiletteüüssen oder zwischendrin Platzangst bekommen. Ob sich das jemand traut?

Dann kommt Gregor Meyle auf die Bühne. Der Songwriter wurde 2008 bei einer Castingshow von Stefan Raab entdeckt. „Ihr könnt es ja nicht sehen, aber wir tragen nur rote Stringtangas“, scherzt er. Prompte Antwort aus dem Publikum: „Sehen nicht, aber riechen!“ Das Eis ist gebrochen. „Du bist die Sonne, selbst hier im Dunkeln siehst du mich“, singt Meyle mit gegerbter Stimme. Wenn das nicht passt! Erstaunlich schnell gewöhne ich mich daran, ich nur auf mein Gehör zu verlassen. Beim nächsten Song klatschen alle mit. Nur ich nicht. Komme mir da immer vor wie in der „ZDF-Hitparade“. Das Schöne: Heute sieht keiner, dass ich mich verweigere.

Vor dem Konzert hatte Gregor Meyle noch gesagt, dass er selbst ganz oft die Augen schließt, wenn er singt: Er versinke dann leichter ins Gefühl. Was wohl seine Tante zu so einem Konzert sagen würde? Sie ist blind. „Aber wenn wir zusammen Klamotten kaufen, sagt sie zu mir ‚Grün steht dir nicht‘, das hat sie einfach im Gespür.“ Dann ist das Konzert vorbei. Also, fast. „Wir können jetzt nicht rausgehen, weil wir den Weg nicht finden würden, also bleiben wir einfach kurz ruhig stehen, ihr ruft Zugabe und dann machen wir weiter“, sagt Meyle. Ein schöner Moment. Und das Tolle: Niemand hat ihn verpasst. Keiner war gerade in eine Unterhaltung mit dem Nachbarn vertieft. Niemand hat etwas bei Facebook gepostet. Alle waren aufmerksam. Und nach „Friederike“ gerufen hat auch niemand.

Text: Simone Deckner

Die nächsten Konzerte im Dunkeln:

19.4., Eva und 3.5., Kaye-Ree, Karten unter 30 96 34 9 oder www.dialog-im-dunkeln.de/events, Beginn jeweils 20 Uhr, Eintritt 29 Euro Gregor Meyle im Hellen am 19.5., Logo, 20 Uhr, Tickets 20,50 Euro

 

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