Schlagersängerin Kerstin Ott : Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Kerstin Ott im Gespräch mit Hinz&Kunzt- Redakteuerin Simone Deckner. Foto: Imke Lass
Hinz&Kunzt Randnotizen

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Schlagersängerin Kerstin Ott spielt heute vor Tausenden Fans. Dabei kostete sie früher schon ein Auftritt als Straßenmusikerin größte Überwindung. Ein Gespräch über Neuanfänge im Leben.

Lange Zeit bevor Kerstin Ott für ausverkaufte Hallen und Stadien sorgte, hatte sie einen Auftritt, bei dem es ihr „noch heute eiskalt den Rücken runterläuft“, wie sie sagt. Sie stellte sich mit ­ihrer Gitarre in die Mönckebergstraße – als Straßenmusikerin. „Das war zu einer Zeit, als das Geld superknapp war“, erzählt sie. Der Auftritt war ein einziges Desaster. „So viele Leute sind vorbeigelaufen, und die, die stehen geblieben sind, habe ich nicht ausgehalten. Ich bin mit diesen wertenden Blicken nicht zurechtgekommen“, sagt Kerstin Ott. „Nach einer Stunde habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin gegangen.“ Im Koffer: magere zehn Euro. Heute lädt sie manchmal Straßenmusiker:innen zu sich ins Vorprogramm ein.

Kerstin Ott erzählt diese Geschichte an einem Frühsommertag am Hamburger Fischmarkt. Sonne, leichte Brise, keine neugierigen Fans an den Nebentischen. Zur Begrüßung ballt sie die Gettofaust, am Tisch daneben sitzen ihre Ehefrau Karolina und ihr Manager Holger Sturm, mehr Entourage braucht eine der erfolgreichsten Schlagersängerinnen Deutschlands – Ott hat mehr als 1,2 Millionen Tonträger verkauft – nicht.

Kerstin Otts Aufstieg in den Schlagerolymp als „überraschend“ zu bezeichnen wäre so, als würde man sagen, Labradore hätten einen gesunden Appetit, also: maßlos untertrieben. 2016 tauchte die gelernte Malerin und Lackiererin plötzlich aus dem Nichts in den Charts auf – mit ihrem selbst geschriebenen Lied „Die immer lacht“. Zwei DJs hatten den Song im Netz entdeckt und ihn mit Discobeats unterlegt. „Die immer lacht“ ist kein flacher Party-Stampfer, Ott hat ihn einer depressiven Freundin gewidmet. Heute singt sie darüber, dass sie „die Welt in Regenbogenfarben anmalen“ will. Mit ihren kurzen Haaren, den großflächigen Tattoos und ihrem Jeans-und-Hoodie-Outfit fällt sie auf in der Hochglanz-Branche. In ihrer 2018 erschienenen Biografie „Die fast immer lacht“ erzählt sie offen von ­ihrer Kindheit, ihrer Spielsucht und der Zeit, in der sie keine Wohnung hatte.

Sie nennt es „meine Obdachlosenzeit“. Sie soll drei Monate lang im Auto gelebt haben, stimmt das? „Wir hatten insgesamt drei Monate keine Wohnung. Im Auto waren es wirklich nur ein paar Tage. Das wurde medial immer größer gemacht“, stellt Kerstin Ott klar. Mit Anfang 20 war sie mit ihrer damaligen Lebensgefährtin in eine größere Wohnung gezogen, schmiss dann aber ihre gerade erst begonnene Ausbildung bei der Polizei. Zur ­gleichen Zeit geriet ihre Freundin in ­finanzielle Schieflage. „Auf einmal ­waren Job, Wohnung und Geld weg, von heute auf morgen. Gestern noch erfolgreich bei der Polizei und morgen obdachlos auf der Straße“, sagt Ott.

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Artikel aus der Ausgabe:

Dating für Arme

Alle daten heutzutage mit Apps – was bedeutet das für Menschen mit wenig Geld? Dating-Apps sind „ein fucking Business-Case“, warnt die Sozialpsychologin Johanna Degen im Interview. Außerdem: ein Treffen mit Schlagerstar Kerstin Ott und die spannende Suche nach den Autor:innen eines gefälschten Umberto-Eco-Buchs.

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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.