Dating für Arme : Mein Haus, mein Auto, mein Boot

Liebe fängt heute oft auf dem Smartphone an. Foto: BBU
Hinz&Kunzt Randnotizen

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Dating-Apps funktionieren meist kostenlos und sind offen für alle. Spielt Geld deshalb keine Rolle für das Online-Dating? Ganz so einfach ist es nicht.

In den Fünfzigerjahren, als es noch kein Internet, aber durchaus viele datinginteressierte Menschen gab, etablierte sich in den USA eine erste Partnervermittlung mit Lochkarten: Es gab blaue Kärtchen für Männer, rosa Kärtchen für Frauen. Die Kund:innen dieses Lochkartendatings waren in der Regel weiß, protestantisch und verdienten überdurchschnittlich viel Geld. Der Historiker Michael Homberg beschreibt in seinem Buch „Computerliebe“, wie die Partnervermittlung damals ablief, dass Männer eine Liste mit Namen und Telefonnummern möglicher Partnerinnen zugewiesen bekamen, Frauen jedoch nur benachrichtigt wurden, dass sie „in nächster Zeit, werktags zwischen 19 und 21 Uhr, die Anrufe möglicher Partner zu erwarten hätten“. Die Agenturen rieten, der Mann solle den ersten Schritt machen – es allerdings der Frau überlassen, Gefühle anzusprechen. Es war ein exklusiver Dating-Markt, für gleichgeschlechtliche, weiße Gutverdiener:innen.

Für die Matchmaker von damals dürfte heute großes Chaos herrschen, denn ihr Markt hat sich weit geöffnet: Auf Dating-Apps wie „Tinder“ oder „Bumble“ lädt man nur ein paar Fotos hoch, schreibt vielleicht noch ein paar Sätze über sich, sein Leben, seine Hobbys, und landet in einem Pool voller Menschen, die alle nach Liebe, nach Nähe oder allein nach Sex suchen.

Auch die Regeln des Datings haben sich verändert: ­Bestimmte Anbieter, zum Beispiel die weit verbreitete ­
App Bumble, stellen sich ganz bewusst gegen die Dating-Regeln aus den Fünfzigern. Hier können nur Frauen den potenziellen Partner oder die potenzielle Partnerin anschreiben, Bumble bewirbt das als „ersten Schritt für einen guten Zweck“. Jedes Mal, wenn eine Frau jemanden anschreibt, spendet Bumble für Menschenrechte und Lohngleichheit. Andere Apps, zum Beispiel Tinder oder „OkCupid“, werben damit, dass ihre Dating-Apps auch die Beziehungen unserer Zeit vielfältiger werden lassen, dass sie Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammenbringen.

Was früher nur reichen US-Amerikaner:innen über­lassen war, ist nun allen Menschen mit einem kostenlosen App-Download zugänglich – oder doch nicht? Machen ­Dating-Apps unsere Gesellschaft bunter und gerechter? Spielt Geld wirklich keine Rolle mehr? Sagen wir: Es ist kompliziert.

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Artikel aus der Ausgabe:

Dating für Arme

Alle daten heutzutage mit Apps – was bedeutet das für Menschen mit wenig Geld? Dating-Apps sind „ein fucking Business-Case“, warnt die Sozialpsychologin Johanna Degen im Interview. Außerdem: ein Treffen mit Schlagerstar Kerstin Ott und die spannende Suche nach den Autor:innen eines gefälschten Umberto-Eco-Buchs.

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Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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