Alles meins!

Wer nichts hat, hat nichts zu verlieren? Von wegen! Drei Liebesgeschichten

(aus Hinz&Kunzt 150/August 2005)

Mein Airbus und ich

Nun, es wurde mir wirklich nicht in die Wiege gelegt, dass ich einmal bei Airbus arbeiten würde und auch irgendwie am Erfolg des A380 beteiligt bin. Die ersten drei Tage im Monat bin ich bei Airbus – um Hinz&Kunzt zu verkaufen. Zum ersten Mal war ich im Mai da. Ich wurde von unserem Hausmeister samt der Zeitungen hingefahren. Dort trafen wir auch zwei ehrenamtliche Hinz&Kunzt-Mitarbeiterinnen, die einen Infostand betreuten.

Beinahe wäre ich gar nicht reingelassen worden, weil mein Personalausweis nicht mehr gültig war. Aber eine Dame telefonierte mit Herrn Krehahn, der nicht nur Personalchef ist, sondern auch eine Woche lang bei Hinz&Kunzt als Seitenwechsler war – und ich durfte rein. Herr Krehahn hat sich dafür eingesetzt, dass wir in der Kantine von 11 bis 14 Uhr Zeitungen verkaufen dürfen. Ich war sehr aufgeregt. Wir verkauften fast alle Zeitungen und bekamen in der Kantine gutes Essen.

Um 14 Uhr fuhren wir nach Hause, und ich musste noch neue Zeitungen holen, da ich für den zweiten und dritten Tag nicht genug hatte. Ich hatte einen Ausweis bekommen, den ich mir an meine Hinz&Kunzt-Weste hängen konnte. Darauf stand: „Airbus-Gast am Standort Hamburg“. Ich Gast am Standort Hamburg – Donnerwetter! Nun war ich im Juni zum zweiten Mal da und hatte meinen Hackenporsche voller Zeitungen. Von den Landungsbrücken mit der Fähre rüber nach Finkenwerder.

Einige Touristen und Einheimische sehen mich mit meiner Hinz&Kunzt-Weste etwas komisch an, aber ich denke nur: „Ich Airbus – du nix Airbus!“ In Finkenwerder angekommen mit dem Bus vors Werkstor. Dort muss ich auf einen Bus-Shuttle warten, der mich zur Kantine fährt. Kantine, das ist Haus 17. Das muss ich mir merken. Der Bus kommt, und es sitzen schon einige Herren in schwarzen Anzügen und Aktenkoffern drin. Die Tür geht auf, und ich hebe meinen Hackenporsche in den Bus, setze mich hin und sage mit Pokerface „17“. Der Bus setzt sich in Bewegung. Unterwegs steigen zwei Herren aus.

Eine kurze Strecke weiter sehe ich schon das Schild „17“. Der Bus hält, ich steige aus und sage: „Vielen Dank und einen schönen Tag noch.“ Und vom Inneren des Busses schallt mir „Ihnen auch noch einen schönen Tag“ entgegen. Kurzzeitig bin ich versucht, wieder einzusteigen, um mit den verbliebenen Herren ein Gespräch über die Perspektive der Luftfahrt zu führen, lande aber doch bei meinen Zeitungen. Verkaufe alle, esse sehr gut Mittag mit dreimal Nachtisch.

Feierabend. Ab in den Bus. Vom Bus wieder auf die Fähre. Ich gehe aufs Oberdeck. Es ist ziemlich voll, aber ganz vorne sind noch ein paar Plätze frei. Mir fällt mein Airbus-Ausweis ein. Ich stecke ihn mir an die Weste und setze mich so, dass alle Leute mich und den Ausweis sehen können, von wegen komisch gucken. Ich Airbus – du nix Airbus!

Klaus

Merlin und ich

Merlin – kleiner Irrwisch, Furie, Daune aus dem Inlet des Propheten oder das letzte Stück Wildnis im Alltag; das alles ist Merlin – und fürwahr recht wandelbar. Näher kennen gelernt haben wir uns in meinem Zelt in jener Zeit voller Wandel. Merlin scheint es gespürt zu haben, vielleicht schon beim ersten hastig verschlungenen Käsebrot.

Tags darauf gibt es für Merlin ein Dauer-versteck-dich in meinem Zelt, bis ich ein paar Tage später panisch quietschend hochschrecke und Merlin verjage, der an der Innenseite meiner Oberlippe hängt. Trotz aller Bemühungen, mich vom Griff zu lösen, ziehe ich den Kürzeren: Mit beiden Händen gekrallt halte ich das heftig schnurrende, immer noch schmerzhaft hängende Katzentier. Ich ergebe mich. Merlins Griff lässt nach. Sie verbringt die ganze Restnacht schnurrend in meiner Halskuhle, und ich fühle mich seltsam geborgen, mitten auf dem Acker mit jener bizarr anmutenden belüfteten Toilette in der Nähe…

Nacht für Nacht besucht mich die Mai-Katze in meinem Quartier bei ihren Streifzügen und parkt kuschelig an meinem Hals. Manchmal liegt sie auch tagsüber auf meinem Schlafsack im überwarmen Zelt. Ich habe ihr einen Durchschlupf gelassen, und oft ist auch was Leckeres da. Unverändert geht unsere Symbiose bis in den Spät-Herbst. Es herrschen winterliche Temperaturen. Die Adventszeit möchte ich in einem steinigen Quartier verbringen. Das klappt auch. Wir brechen das Zeltquartier ab. Mich graust es, ohne die wärmenden Weiß-Pfötchen die winterliche Eiseskälte um mich zu haben.

Merlin mit der richtigen Intuition. Merlin die Wachsame macht zum richtigen Zeitpunkt das Richtige! Sie wuselt aufgeregt hin und her. Sie weiß sehr genau, wann sie abwesend und wann sie präsent sein muss. Sie lümmelt sich immer wieder auf dem Schlafsack herum. Ich muss ihn gleich einrollen. Zögerlich packe ich Merlin in einen Kopfkissenbezug. Sie bleibt liegen und schnurrt. Ich nehme sie so auf den Arm. Sie schnurrt. Ich riskiere mit ihr eine Busfahrt, und sie schnurrt konstant. Ihre Anhänglichkeit ist herrlich.

Seit jenem November sind wir ein Herz und eine Seele, wir verbringen den zweiten Sommer zusammen. Den Winter über ist sie bei mir geblieben. Wir trösteten uns gegenseitig über die Eiseskälte im Quartier, und als ich krank darniederlag, wärmte sie mir den brennenden Brustkorb.

Jetzt im Sommer zieht sie mir wild und lustig oft mit dem Fang an den Haaren oder nuckelt mir an den Zehen und wartet auf Leckereien. Unsere Symbiose ist wie Nervennahrung und sehr stimmungsaufhellend. Ich träume von mehreren Jahren voller Vertrauen und Abwechslung.

Laura

Mein Hund und ich

Ist doch irgendwie komisch, nun hab ich dich schon seit 7,5 Jahren, und ich schau dich immer noch sehr gern an.

Liegt es vielleicht daran, dass du der hübscheste Hund der Welt bist?

Dass du so herrlich schnarchen kannst?

Dass du so wundervoll furzen kannst, immer wenn du dich neben mich gelegt hast?

Dass ich wegen dir ständig nass werde, nur weil du der Meinung bist, „ich will jetzt aber Gassi“?

Dass du immer, wenn ich es eilig habe, anfängst, mit anderen Hunden zu spielen?

Dass ich ständig über deine Spielsachen stolpere?

Dass ich morgens immer so früh hoch muss, nur weil du dich ja mit allen Hunden dieser Stadt verabredet hast?

Dass ich ständig irgendwo rumstehe, nur weil du noch Zeitung „lesen“ musst, nur um dann darüber zu pieseln?

Dass du immer dann an mir hochspingst, wenn du dich vorher so richtig eingesaut hast?

Dass du deine angekauten Knochen und Schweineohren mit Vorliebe unterm Kopfkissen versteckst?

Dass du meine fehlenden Socken auch ganz brav in deinem Körbchen bunkerst, damit ich immer suchen kann, keine Zeit mit Anziehen verschwende?

Dass du ganz brav den Kühlschrank alleine aufmachen kannst, nur weil du der Meinung bist, Wurst ist nix für Herrchen?

Dass du mir immer dann die Hand abschleckst, wenn du deinen Hintern geputzt hast?

Dass ich nie einen Film zu Ende sehen kann, weil du ja wieder Nachbars Katzen jagen willst?

NEIN, jetzt weiß ich es, weil du mir immer die Treue gehalten, mich nie angelogen hast, immer für mich da bist – und ich durch dich die schönste Frau der Welt kennen gelernt habe.

Ich danke dir für die letzten 7,5 Jahre oder 89 Monate oder 2737 Tage oder 65.700 Stunden oder 3.942.000 Minuten oder 236.520.000 Sekunden, von denen ich nicht eine einzige mit dir missen möchte …

Dein Herrchen Gerrit

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