Kolumne #kleingartenlife : Ach du liebe Ordnung!

Albern oder sinnvoll? Benjamin Laufer findet so manche Kleingartenregel richtig gut! Foto: Dmitrij Leltschuk

Schrecklicher Verdacht: Hat das eine Jahr als Laubenpieper Redakteur Benjamin Laufer in einen Spießer verwandelt?

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Den Rasen versuche ich halbwegs kurz zu halten und die Staudenbeete auf meiner Kleingartenparzelle halbwegs unkrautfrei. Da keimt zwischen Astern und Stockrosen nach einem Jahr als Laubenpieper ein schrecklicher Verdacht: „Bin ich etwa ein Spießer geworden?“ Es spricht leider einiges dafür. Dabei war ich doch angetreten, alles anders zu machen als die gewöhnlichen Laubenpieper oder das, was ich dafür gehalten habe.

Ganz offensichtlich gehöre ich einer neuen Generation von Klein­gärtner:innen an, mit Instagram-Account statt Deutschlandfahne und Wildblumenwiese statt Stiefmütterchen. Der Hamburger Gartenblogger Björn Hanssen hat es durchschaut: Plötzlich sehen die Spießer:innen aus wie wir. „Oder andersherum formuliert: Wir sind die neuen Spießer!“, schreibt er in seinem Blog „Gartenbaukunst“.

Aber Moment mal, lieber Björn! Bevor wir uns verrennen, sollten wir erst mal die Begriffe klären. Ein Spießbürger ist geistig unbeweglich, erklärt uns das Internet, engstirnig und am ­Urteil der anderen orientiert. Ich kenne dich nicht wirklich, aber ich glaube, da sind wir beide raus. Puh! Was einen Spießer aber auch ausmacht: Er liebt Normen und Regeln. Da komme ich ­allerdings nicht so elegant raus.

Was man in Kleingärten wie machen soll und darf, ist streng geregelt. Im Bundeskleingartengesetz und in der Landesgartenordnung etwa. Die Verordnung zum Schutz des Baum­bestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt muss natürlich auch beachtet werden. Die Hecke um die Parzelle zum Beispiel darf maximal 1,10 Meter in die Höhe streben. Außerdem gilt, und das muss ich in voller Länge zitieren: „Bei Neuanpflanzungen ist ein Abstand von der Hälfte der zu erwartenden Endhöhe der Pflanze zur Parzellengrenze einzuhalten.“ Das klingt alles unglaublich bürokratisch – und ich find’s richtig gut!

Denn bei näherer Betrachtung ergibt vieles davon Sinn. Die Sache mit der Heckenhöhe zum Beispiel: Ein Kleingarten ist eben kein Privatgrundstück, auf dem man sich hinter meterhohem Grün verschanzt. Im Gegenteil: Er gehört zum öffentlichen Raum und ist für alle da. Wer dort spazieren geht, soll den Blick über die Kolonie schweifen lassen können und sich an den Gärten erfreuen. Was die Hundebesit­zer:innen aus der Nachbarschaft meiner Parzelle übrigens auch regelmäßig tun. Da ergibt sich so manch netter Schnack über die Hecke. Beispiel Pflanzabstände: Ja, klingt ganz schön kompliziert. Aber diese Vorschrift stellt sicher, dass mein Bauernjasmin nicht irgendwann den Garten meiner Nachbarin verschattet. Das ist doch nur fair! Engstirnig ist, wem das egal ist.

Sich mit dem Regelwerk des Kleingartenwesens zu befassen, ist also das Gegenteil von spießig! Eine Erkenntnis, die mich wirklich beruhigt. Dass ich ­inzwischen im Verein dafür zuständig bin, seine Einhaltung zu kontrollieren – ist reiner Zufall, was denn sonst?

Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Früher Laufer, heute Buchholz. Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

Weitere Artikel zum Thema