Kolumne #kleingartenlife

Ode an den Schatten

Ein Mann mit Hut steht vor einer blauen Gartenlaube
Ein Mann mit Hut steht vor einer blauen Gartenlaube

Wer in Zeiten des Klimawandels einen Garten plant, sollte sich gut überlegen, wo Schatten vor der Sonne schützt. Kolumnist Benjamin Buchholz hatte das leider vergessen.

Was habe ich nicht alles bedacht, als ich meinen Schrebergarten am Reißbrett entworfen habe! Wie groß werden die Sträucher, die ich pflanzen will? Welchen ökologischen Nutzen haben sie? Wie müssen die Wege im Garten verlaufen, damit die 260 Qua­dratmeter möglichst geräumig wirken? Und welche Sichtachsen von außen bleiben, wenn die Gehölze erst mal ausgewachsen sind?
Woran ich am Reißbrett, das in Wirklichkeit ein Din-A5-Block war, keinen Gedanken verschwendet habe: wo das Sonnenlicht hinfällt und vor allem, wohin die Gehölze Schatten werfen. Ein naiver Fehler, wie sich ­zeigen sollte! Schon im ersten Sommer heizte der gelbe Feuerball erbarmungslos drauflos – da war noch keine meiner Pflanzen groß genug, um überhaupt irgendeinen Schatten zu werfen.

Auf den dünnen Holzwänden meiner Gartenlaube hätte man Spiegeleier braten können! Drinnen war es tagsüber nicht auszuhalten, draußen behalf ich mir mit einem kleinen Sonnenschirm. Eine Dauerlösung ist das freilich nicht, gerade wenn man sich die Entwicklung der örtlichen Sonnenscheindauer ansieht: Schien die Sonne in einem Hamburger August früher durchschnittlich 201 Stunden lang, waren es im vergangenen Jahr ganze 265 Stunden.

Den Tatsachen ins Auge blinzelnd habe ich damit begonnen, mich dem Klimawandel anzupassen. Bei den Laubenwänden machte ich aus der Not eine Tugend: An Rankgittern klettern nun Wein, Garten- und Waldgeißblatt sowie eine Kletterrose empor. Sie werfen nicht nur Schatten auf die nun kühleren Holzbohlen, sondern verströmen im Sommer über ihre Blüten lieblichen Geruch und bieten der Insektenwelt reichlich Nahrung. Die knappe Anbaufläche auf meiner Parzelle konnte ich so ins Vertikale ausdehnen. Ein klarer Gewinn für alle Beteiligten.

Mit dem Kirschbaum hatte ich das wohl höchste Gewächs in meinem Garten ausgerechnet an den einen Ort gepflanzt, an dem pralle Sonne höchst erwünscht ist: direkt neben den Gemüsebeeten. Der wesentlich kompaktere Apfelbaum hingegen wurzelte auf der Rasenfläche, auf der ich gerne mal im Schatten liegen würde.

Also habe ich die beiden diesen Winter ausgetauscht, damit das Gemüse seine Sonne abbekommt und ich meinen Schatten. Vor der Terrasse wächst außerdem neuerdings ein junger Mirabellenbaum. Seine Blätter werden uns hoffentlich bald vor der sengenden Hitze schützen, während mir und meinen Gästen süße Früchte in die hungrigen Münder fallen.

Wenn mein Plan aufgeht, nicht die schlechteste Entwicklung.

Artikel aus der Ausgabe:
Ein quietschbuntes Titelbild mit einem Herz. Titelzeile: "Dating für Arme"

Dating für Arme

Alle daten heutzutage mit Apps – was bedeutet das für Menschen mit wenig Geld? Dating-Apps sind „ein fucking Business-Case“, warnt die Sozialpsychologin Johanna Degen im Interview. Außerdem: ein Treffen mit Schlagerstar Kerstin Ott und die spannende Suche nach den Autor:innen eines gefälschten Umberto-Eco-Buchs.

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Autor:in
Benjamin Buchholz
Benjamin Buchholz
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD für das Onlinemagazin.

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