Gastro-Lohn Hamburg : „Rechtsbruch ist gang und gäbe“

Hamburger Restaurants und Kneipen verweigern ihren Mitarbeitern bei Krankheit oder Urlaub oft den Lohn und verstoßen damit gegen geltendes Recht. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der „Initiative Gastro-Lohn Hamburg“. Zudem beklagen Beschäftigte teils niedrige Löhne und unbezahlte Überstunden. Die Initiative will nun für Verbesserungen kämpfen.

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Hinter Hamburger Theken werden Überstunden häufig nicht bezahlt.

„Der Rechtsbruch ist in der Hamburger Gastronomie offensichtlich gang und gäbe“, bilanziert Jan Kammerer von der „Initiative Gastro-Lohn Hamburg“. Rund 35 Beschäftigte aus 25 Kneipen und Restaurants haben sich in den vergangenen Wochen bei der Initiative gemeldet und Auskunft gegeben über ihre Arbeitsbedingungen. Die Ergebnisse sind erschreckend: Die meisten Arbeitgeber zahlen offenbar weder im Krankheitsfall noch bei Urlaub Lohn – obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Unbezahlte Überstunden sind an der Tagesordnung, in einem Fall sank der reale Stundenlohn so auf gerade mal 5,05 Euro. Wie die Verhältnisse in einzelnen Gastronomiebetrieben konkret aussehen, können Interessierte seit Sonntagabend im Internet nachlesen.

Was der Initiative bei ihren Befragungen deutlich geworden ist: Oft wissen Beschäftigte gar nicht, welche Rechte ihnen zustehen. „Manche haben uns ausgelacht und gesagt: ,Natürlich bekomme ich keinen Lohn, wenn ich krank bin. Ich bin doch nur Teilzeit!‘“, berichtet Kammerer. Diesen Missstand will die Initiative nun durch aufsuchende Aufklärungsarbeit beheben: „Wir wollen in die Läden gehen und mit den Beschäftigten reden – und natürlich auch mit den Gästen.“ Zudem sollen die Ergebnisse der Umfrage auf DIN-A-2 großen Plakaten in der Stadt ausgehängt werden, „vor allem in der Nähe der Betriebe, um die es geht“. So sollen „Kundinnen und Kunden bewusst entscheiden können, wo sie am liebsten ihren Kaffee oder ihr Bier trinken wollen“.

Zudem will die Initiative „Betroffene unterstützen, die etwas verändern wollen“. Wie die Hilfe konkret aussehen kann, müsse gemeinsam entschieden werden. „Es gibt natürlich die berechtigte Angst, den Job zu verlieren.“ Die Erhebung soll fortgeführt werden, Interessierte können auch online einen Fragebogen ausfüllen. Die so gewonnenen Erkenntnisse über Lohn- und Arbeitsbedingungen in weiteren gastronomischen Betrieben will die Initiative – ein Bündnis sogenannter Basisgewerkschaften und Privatpersonen – auf ihrer Internetseite veröffentlichen.

Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind Gewerkschaftern seit langem ein Dorn im Auge. Vor wenigen Tagen erst hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seinen neuen Ausbildungsreport veröffentlicht und darin vor allem die Gastronomie kritisiert. Zwei von drei Auszubildenden müssten regelmäßig Überstunden leisten, die Hälfte der Betroffenen bekomme die Mehrarbeit weder mit Freizeit noch mit Geld ausgeglichen, heißt es in dem Bericht.

Wie die Branche auf den allgemeinverbindlichen Mindestlohn reagieren wird, der ab Anfang kommenden Jahres gilt, ist ungewiss: Verhandlungen über einen Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) waren im Juli gescheitert. Vor allem in Ostdeutschland zahlen viele Gastronomiebetriebe ihren Mitarbeitern weniger als die 8,50 Euro brutto die Stunde, die ab Januar 2015 als Mindestlohn gelten sollen. Doch die neue Umfrage zeigt: Auch im reichen Hamburg wird diese Grenze teilweise unterschritten.

Text: Ulrich Jonas
Foto: ActionPress