Obdachlosigkeit : Es ist kalt!

Auch wenn zurzeit noch kein Obdachloser abgewiesen wird, ist die Kapazität des städtischen Winternotprogramms erschöpft. Auch Tagesaufenthaltsstellen stoßen an ihre Grenzen. Wer Tage und Nächte auf der Straße verbringt, droht zu erfrieren.

Zelt eines Obdachlosen nahe der Alster: Wer jetzt noch draußen schläft, droht zu erfrieren.

Der Sonnenschein ist trügerisch: Seit einigen Tagen herrschen eisige Temperaturen in der Stadt. Das trifft vor allem die Hamburger, die kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Bei manchmal zweistelligen Minusgraden besteht für Menschen, die die Nacht und den größten Teil des Tages draußen verbringen, Lebensgefahr – zumal sie vom Leben auf der Straße oft in schlechter körperlicher Verfassung sind.

Die Stadt Hamburg stellt mit rund 350 Plätzen im sogenannten Winternotprogramm mehr zusätzliche Betten zur Verfügung als je zuvor. 82 Plätze in Wohncontainern im ganzen Stadtgebiet sind bereits seit Anfang November belegt, auch die 40 Plätze in einem ehemaligen Altenheim in Ottensen sind längst besetzt. 230 Betten bietet die Notschlafstelle in der Spaldingstraße, die von Beginn an gut ausgelastet war, und jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen stößt.  Unterkunftsleiter Thomas Müller sagte zu Hinz&Kunzt: „Ja, es ist relativ voll bei uns.“ Es gäbe eine Fluktuation von „zehn bis 15 Personen“ am Tag. Für wen abends kein Bett mehr zur Verfügung stehe, den verweise man an die Bahnhofsmission.

Der Andrang in den Tagesaufenthaltsstätten ist kaum zu bewältigen.

Die Bahnhofsmission kann selbst keine weiteren Schlafplätze anbieten, sondern ihrerseits nur ans Pik As verweisen. Hier stehen regulär bis zu 190 Betten zur Verfügung. Spürbar sei am Bahnhof aber, dass mehr Menschen das Tagesaufenthaltsangebot nutzen, nämlich rund 300 jeden Tag, so Leiter Axel Mangat: „Die Leute wollen alle etwas Warmes zu trinken und einen Sitzplatz.“

Großer Andrang herrscht auch in der Tagesaufenthaltsstätte Herz As, die in unmittelbarer Nähe der Spaldingstraße liegt. Bevor die Einrichtung um 10 Uhr öffnet, warten viele schon vor der Tür – denn um 9 Uhr müssen alle die benachbarte Notunterkunft verlassen. „Wir gehen unter“, sagt Andreas Bischke vom Herz As. „Unsere räumlichen Kapazitäten sind einfach erschöpft.“ 80 Aufenthaltsplätze hat das Herz As, 150 warme Essen kann das Team am Tag herausgeben. „Wir mussten auch schon Leute wegschicken“, so Bischke. Und die Möglichkeit, im Herz As zu duschen nähmen bis zu 40 Personen täglich war. Hier gibt es mittlerweile eine Warteliste. Bischke weiter:  „Wenn es noch mehr Personen werden sollten, müssen wir die Tür schließen, weil wir das gar nicht mehr handhaben können.“

Die Plätze im Winternotprogramm reichen nicht für alle

Auch wenn das Angebot im Winternotprogramm besser ist als in den vergangenen Jahren, reicht es nicht aus:  Einer offiziellen Zählung der Stadt zufolge gibt es in Hamburg mehr als 1000 Menschen, die auf der Straße leben. Die zur Verfügung stehenden Notschlafplätze im Winter reichen für sie nicht aus. Außerdem: Viele verbringen die Nächte lieber draußen als in den großen Unterkünften. „Dort fehlen nicht nur Privatsphäre und Perspektive“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer, „hier sind gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern leider an der Tagesordnung. Viele ziehen deshalb die Platte dem Notschlafplatz vor.“ Draußen bringen Obdachlose sich bei eisigen Temperaturen in Lebensgefahr. Karrenbauer: „Solange es solche Massenunterkünfte gibt, wird es Menschen geben, die das Hilfesystem nicht erreicht. Und dann wird es auch immer wieder Menschen geben, die erfrieren.“

Text: Beatrice Blank
Foto: Mauricio Bustamante