Meldungen: Politik & Soziales

(aus Hinz&Kunzt 245/Juli 2013)

Arbeitsagentur-Vorstand: Zweifel an Hartz IV
Acht Jahre nach Inkrafttreten der sogenannten Arbeitsmarktreformen wächst die Erkenntnis, dass die Jobcenter vielen Langzeitarbeitslosen nicht helfen können. Es müsse „die Frage erlaubt sein, ob die Grundsicherung mit dem Prinzip des Forderns und Förderns für die Menschen das richtige Hilfesystem ist“, so Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, in der „Zeit“. Laut Behörde leben seit 2005 mehr als eine Million Menschen durchgängig von Arbeitslosengeld II. Alts Beitrag sei auch ein Appell an die Gesellschaft, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben, so eine Sprecherin. BEB

Viele verzichten auf Hartz IV
Mindestens 300.000 Geringverdiener in Deutschland verzichten auf Arbeitslosengeld II, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Das ergeben Berechnungen des Instituts für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen (IAQ). Derzeit stocken gut 1,3 Millionen Menschen ihren Verdienst mit ergänzendem Arbeitslosengeld II auf. Viele Niedriglöhner würden von ihren Ansprüchen nichts wissen oder aus Scham den Gang zum Jobcenter scheuen, so die Erklärung der Forscher. UJO

Einzelhändler sparen, Staat zahlt drauf
Der Staat subventioniert Niedriglohnjobs im Einzelhandel mit rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linkspartei mitteilte, gehen davon 600 Millionen Euro an sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die zu wenig verdienen, um sich selbst ernähren zu können. Der Rest wird an Minijobber ausgezahlt. Der Anteil der Niedriglohn-Beschäftigten (Verdienst unter zehn Euro die Stunde) im Einzelhandel stieg von 27 Prozent im Jahr 2000 auf 34 Prozent in 2010. Gleichzeitig sind die Branchengewinne stark angestiegen: Nach Hochrechnungen der Bundesbank lagen sie 2010 bei 18,2 Milliarden Euro. 2000 waren es noch 9,8 Milliarden Euro gewesen. BELA

Esso-Häusern droht der Abriss
„Ein realistischer Spielraum für den Erhalt ist selbst bei gutem Willen kaum noch gegeben.“ So lautet das Fazit von Andy Grote (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, zu einem vom Bezirk in Auftrag gegebenen Gutachten zur Statik der Esso-Häuser auf St. Pauli. Es bescheinigt dem Gebäude­komplex einen maroden Zustand. Die Kosten einer Sanierung würden die eines Neubaus übersteigen. Der Eigentümer ­Bayerische Hausbau sieht sich bestätigt: „Abriss und Neubau sind das einzige, weil realistische Ziel“, so Pressesprecher Bernhard Taubenberger. Für die Mieter hätte das den Auszug zur Folge. „Mehr als zwölf Monate halten wir eine Nutzung aus Sicherheitsgründen nicht für tragbar“, so Amtsleiter Grote. Die baufällige Tiefgarage unter den Häusern wurde bereits Mitte Juni gesperrt. Die Initiative aus Bewohnern und Nachbarn ist empört. Der Eigentümer habe die Instandhaltung der Häuser vernachlässigt. „Wird bewusstes Verwahr­losen-Lassen nun mit Abrissgenehmigung belohnt?“, heißt es in einer Stellungnahme zum Gutachten. Die Bewohner ­fürchten um ihre günstigen Mieten und fordern vom Bezirk, sie vor Verdrängung zu schützen. JOF

Hilfe bei drohenden Zwangsräumungen
Ein Bündnis will in Hamburg nach Berliner Vorbild Zwangsräumungen verhindern. Räumungsbedrohte sollen durch Beratung oder auch Sitzblockaden unterstützt werden. Mittwochs von 16 bis 18 Uhr können Betroffene sich in der GWA St. Pauli persönlich oder telefonisch unter 410 98 87 46 melden und um Unterstützung bitten. In Berlin waren Proteste erfolgreich: Seit Februar hat das dortige Bündnis nach eigenen Angaben 20 Zwangsräumungen verhindern können. BELA

Regierungsparteien lehnen Mietpreis-Bremse im Bundestag ab
Dank Union und FDP dürfen Vermieter weiter mit satten Einnahmen rechnen. Die SPD scheiterte mit einem Bundestagsantrag, eine Obergrenze bei der Wie­dervermietung von Wohnungen einzuführen. Diese sollte bei zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete gezogen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte kürzlich erst eine Mietpreis-Bremse versprochen. UJO

Jobcenter müssen bei Energieschulden helfen
Kann ein Hartz-IV-Empfänger seine Strom- oder Gasrechnung nicht bezahlen, muss das Jobcenter mit einem Darlehen aushelfen. Das hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden (Az. L 2 AS 313/13 B ER). Das Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil die Ämter auch in ­Hamburg in solchen Fällen immer wieder die Hilfe versagen. ­Wasserkosten werden laut Senat grundsätzlich vom Jobcenter übernommen. Seit 2008 wurde 4294 Hamburger Haushalten wegen Schulden der Hahn zugedreht. UJO/JOF

Soulkitchen-Betreiber will weitermachen
Nach der Schließung der Soulkitchenhalle in Wilhelmsburg Mitte Juni gibt sich deren Betreiber Mathias Lintl kämpferisch. Betreten und Nutzung der Halle hat das Bezirksamt Mitte untersagt, nachdem die Vermieterin Sprinkenhof AG ein Gutachten vorgelegt hatte, wonach diese einsturzgefährdet sei. Lintl sagte auf Nachfrage von Hinz&Kunzt, er werde sich anwaltlich beraten lassen und gegebenenfalls gegen die Schließungsverfügung vorgehen: „Das sind wir den Hamburgern schuldig.“ BEB

Arbeitsagentur: Kostenlose Hotline
Arbeitslose können sich unter Telefon 0800 455 55 00 ab sofort kostenlos beraten lassen – auch vom Mobiltelefon aus. Die Familienkasse ist unter Telefon 0800 455 55 30 erreichbar. Die Servicenummer des Hamburger Jobcenters bleibt die 24 85 19 99 und kostet laut Behörde die ortsübliche Gebühr. UJO

Neues Tierarztprojekt für Einkommensschwache
Die Tiertafel bietet ab sofort einmal im Monat eine preiswerte Tierarzt-Sprechstunde an. Das Projekt decke zwar nur einen Teil des Bedarfs, so der Internationale Tierschutz-Fonds (IFAW). Es sei aber nicht nur für die Tiere, sondern auch für deren Halter wichtig. Für sie sei ihr Haustier oft der wichtigste Halt im Leben. MAL