Sozialwohnungen : Kritik trotz Rekordzahlen vom Senat

Im vergangenen Jahr wurden in Hamburg weniger Wohnungen fertiggestellt als 2018. Das Niveau bleibt dennoch hoch. Foto: Christian v. R. / pixelio.de.

In Hamburg wurden im vergangenen Jahr so viele Sozialwohnungen gebaut wie seit 20 Jahren nicht. Am langfristigen Trend ändert aber selbst dieser Bauboom nichts: Die Gesamtzahl an Sozialwohnungen in der Hansestadt steigt kaum, Sozialwohnungen im ersten Förderweg werden sogar weniger.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Weniger als 5000 neue Sozialwohnungen im Jahr reichen laut Klaus Wicher, Hamburger Landeschef des Sozialverbands Deutschland (SoVD), nicht aus, um den Sozialwohnungsbestand langfristig zu erhöhen: „Wenn man bedenkt, dass wir vor zehn Jahren noch knapp 250.000 Sozialwohnungen hatten, kommen wir auch mit der Offensive des Senats nicht auf einen grünen Zweig!“ Momentan gibt es nur noch knapp 80.000 Sozialwohnungen in der Stadt. Wichers Kritik zielt auf die Bilanz zum Sozialwohnungsbau, die die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) Anfang der Woche vorgestellt hat.

Dabei klingen die Zahlen der Behörde beachtlich: 3717 Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr in Hamburg gebaut, davon 3012 im günstigeren 1. Förderweg (6,60 Euro/qm nettokalt). Das selbstgesteckte Ziel von 3000 neuen Sozialwohnungen im Jahr hat der Senat damit sogar übertroffen.

„Über 3700 Sozialwohnungen wurden 2019 fertiggestellt, zuletzt gelang dies vor 20 Jahren“, freut sich Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD): „Auch im bundesweiten Vergleich werden in Hamburg seit Jahren bezogen auf die Einwohnerzahl die meisten Sozialwohnungen gebaut.“  Und damit nicht genug: Die zuständige Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) hat im vergangenen Jahre für mehr als 5000 Wohnungen Förderungen bewilligt oder bestehende Bindungen verlängert.

„Wir sind auf einem guten Weg, den Sozialwohnungsbestand weiter zu stabilisieren.“– Dorothee, Stapelfeldt (SPD)

2020 soll die Wohnraumförderung laut Behörde auf dem gleichen Niveau bleiben. „Wir sind auf einem guten Weg, den Sozialwohnungsbestand in unserer Stadt weiter zu stabilisieren, dies wird auch Wirkung auf den gesamten Hamburger Wohnungsmarkt haben“, prognostiziert Senatorin Stapelfeldt.

Gesamtzahl steigt nur leicht

Ein Blick auf eine senatseigene Prognose, die auf eine Anfrage der Linksfraktion zurückgeht, zeigt allerdings: Bis 2030 wird die Gesamtzahl der Sozialwohnungen nur leicht steigen. Die Anzahl der Sozialwohnungen im ersten Förderweg wird sogar zurückgehen – von 77.000 Anfang 2020 auf 71.500 im Jahr 2030. Demgegenüber standen im vergangenen Jahr mehr als 368.000 Haushalte, die im ersten Förderweg sozialwohnungsberechtigt sind.

„So wird sich der Mangel an günstigen Wohnungen weiter verschärfen.“– Heike Sudmann, Linksfraktion

Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sagt dazu: „So wird sich der Mangel an günstigen Wohnungen weiter verschärfen. Denn obwohl über 100.000 Wohnungen bis 2030 neu gebaut werden sollen, steigt die Zahl der günstigen, öffentlich geförderten Wohnungen nur um 4.000 an.“ Immerhin: Um dieses Problem künftig abzufedern, wurde die Mindestbindungszeit im vergangenen Jahr von 15 auf 20 Jahre erhöht. Nach Ablauf dieser Zeit können die Wohnungen dann zu freien Mieten angeboten werden. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA verpflichtet sich sogar auf 30 Jahre.

Doch auch diese Anstrengungen reichen Klaus Wicher vom SoVD nicht aus. Er fordert eine deutliche Verlängerung der Mietpreisbindung. Um mehr bezahlbaren Wohnraum neben dem Sozialwohnungsbau in Hamburg zu schaffen verlangt Wicher vom Senat außerdem mehr sogenannte „Hamburg Wohnungen“. Das sind nicht geförderte Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 8 Euro pro Quadratmeter, für die man nicht sozialwohnungsberechtigt sein muss. Davon sollen alle profitieren, die zu viel verdienen, um sozialwohnungsberechtigt zu sein, „aber zu wenig, um sich Quadratmetermieten von 13 Euro aufwärts leisten (zu) können“, sagt Wicher. Momentan gibt es davon nur einige Modellprojekte in der Stadt.

Dass auch eine Mehrheit der Hamburger*innen trotz Bauboom mehr staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt befürwortet, zeigt derweil eine aktuelle Umfrage. Demnach unterstützen 69 Prozent mehr staatliche Eingriffe bei Mieten. Einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik fordern auch die beiden großen Mietervereine Hamburgs. In den kommenden Wochen sollen zwei Volksinitiativen an den Start gehen, in denen unter anderem gefordert wird, das auf stätischen Flächen künftig ausschließlich Neubauwohnungen mit einer Anfangsmiete auf Sozialwohnungsniveau entstehen.

Dirk Ahrens, Hamburger Diakoniechef und Hinz&Kunzt-Herausgeber fordert in unserer aktuellen Ausgabe, dass jede zweite neu gebaute Wohnung eine Sozialwohnung sein muss: „Das hilft der Krankenschwester genauso wie dem Friseurlehrling. Und vor allem haben dann Menschen in Wohnungsnot wieder eine Chance auf dem Wohnungsmarkt.“

Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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