Wie man mit Gendersternen, Tempolimit und Lastenfahrrädern die Gesellschaft spaltet: ein Gespräch mit dem Wissenschaftler Thomas Lux über die zerstörende Kraft von sogenannten Triggerpunkten.
Hinz&Kunzt: Verfolgt man die Nachrichten, wird man das Gefühl nicht los, in einer völlig gespaltenen Gesellschaft zu leben. Stimmt das?
Thomas Lux: Ich muss klar widersprechen. Wir haben uns die Einstellungen zu unterschiedlichen, gesellschaftlich relevanten Themen in den vergangenen 30 Jahren angeschaut und festgestellt: Die Meinungen zu Umverteilung, Klimawandel, Migration und sexueller Diversität driften nicht auseinander. Sie sind entweder stabil geblieben oder haben sich hin zu mehr Liberalität entwickelt. Es gibt zwar Konflikte, aber die meisten Menschen haben gar keine so starke Meinung.
Und doch wird gerade über diese Themen viel gestritten.
Wir haben in unserer Untersuchung „Triggerpunkte“ identifiziert, bei denen die Menschen sehr emotional werden. Sie argumentieren dann aus dem Bauch heraus und nehmen stärkere Positionen ein als die, die sie sonst eigentlich vertreten. Solche Triggerpunkte werden dadurch angeregt, dass tief verwurzelte moralische Grundüberzeugungen verletzt werden. Das heißt, Menschen werden getriggert, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas unfair ist, oder wenn es eine starke Abweichung vom Normalen gibt oder wenn ihre Privatsphäre verletzt wird oder sie das Gefühl haben, dass ihnen die Kontrolle entgleitet.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Homosexuelle und trans Personen als normal anzuerkennen, mit den gleichen Rechten – das finden die meisten Menschen richtig. Da gibt es einen breiten Konsens. Aber viele wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie zu sprechen haben. Stichwort: Gendersternchen. Da reagieren viele allergisch. Sie haben das Gefühl, dass in ihren zutiefst privaten Bereich eingegriffen wird. Und solch ein Triggerpunkt kann dann von politischen Akteuren genutzt werden, um tatsächlich die Gesellschaft zu spalten.