Kolonialismus bei Hagenbeck

Safari in Stellingen

Eine Buntstiftzeichnung des Hagenbeck-Portals
Eine Buntstiftzeichnung des Hagenbeck-Portals
Soll neu entstehen: das „Elefantentor“ von 1907. Illustration: Ralf Schwinge

Caroline Herfert leitet Rundgänge zur Kolonialgeschichte von Hagenbeck. Hinz&Kunzt-Autor Detlev Brockes hat sie begleitet.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Eine promovierte Theater- und Kulturhistorikerin lädt zur „Safari“ bei ­Hagenbeck. Der Rundgang von Caroline Herfert für die Geschichtswerkstatt Eimsbüttel führt einmal um den Zoo herum, immer am Zaun entlang. Es geht um die Kolonialgeschichte des ­Familienunternehmens. Und einen Exkurs zum Tier auf der Bühne gibt es noch dazu.

Auf dem belebten Platz am Haupteingang, mit dem nepalesischen Pagodentempel im Hintergrund, gibt Herfert einen ersten historischen Abriss. Fischhändler Gottfried Hagenbeck stellte Mitte des 19. Jahrhunderts in St. Pauli zunächst Seehunde aus. Sein Sohn Carl Hagenbeck betrieb ab 1874 einen „Thierpark“ am Neuen Pferdemarkt und startete die kommerziell höchst erfolgreichen „Völkerschauen“, für die Menschen aus fernen Ländern nach Hamburg geschafft wurden. ­Dazu weltweiter Tierhandel (zum ­Beispiel 2000 Dromedare als Reittiere für die deutsche Schutztruppe im heutigen Namibia), zeitweise ein Zirkus und ab 1907 der Zoo in Stellingen, der – damals sensationell – ohne Gitter auskam.

Rund um den Zoo heißt einiges nach dem Unternehmen: Hagenbeckstraße, Tierparkallee, Gazellenkamp und nicht zuletzt die U-Bahn-Station. „Der Name Hagenbeck“, sagt Caroline ­Herfert, „hat sich in die Geschichte der Stadt eingeschrieben.“

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Unter den Teilnehmenden des Rundgangs geht das Plakatmotiv der Birma-Völkerschau von 1913 herum. „Hagenbeck hat aus den Menschenschauen damals respektabel wirkende Veranstaltungen gemacht, mit wissenschaftlichem Anstrich und prominentem Besuch bis hinauf zum deutschen Kaiser“, erläutert Herfert. Eine Teilnehmerin will wissen, ob die zur Schau gestellten und als „exotisch“ vermarkteten Menschen freiwillig dabei waren. Wissenschaftlerin Herfert zögert: „Teils ja, teils nein.“ Vieles müsse da noch geklärt werden und oft fehlen Quellen. Hagenbeck sei bei der Aufarbeitung bislang „eher zurückhaltend, um es mal vorsichtig auszudrücken“.

Hauptberuflich arbeitet die Rundgangsleiterin an der Uni Hamburg, als Koordinatorin einer kulturwissenschaftlichen Forschungsgruppe. Ihr Fachwissen für den Rundgang stammt aus ihrem vorherigen Job in der ­Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“.

Klar, der Tierpark ist ein kolonialer Erinnerungsort. Aber als Theaterexpertin weist Herfert noch auf einen anderen Aspekt hin: „Die Inszenierung gehörte bei Hagenbeck immer dazu, sei es bei den ‚Völkerschauen‘ oder bei der Präsentation der Tiere wie auf ­einer Bühne.“ Und mit einem Kino für Tier- und Jagdfilme, einer Eisenbahn durch den Park und den lebensgroßen Saurierfiguren sei Hagenbeck damals schon früh der „Logik des Vergnügungsparks“ gefolgt.
Am ehemaligen Haupteingang des Tierparks endet der Rundgang. Das dortige „Elefantentor“ wurde in diesem Frühjahr endgültig abgetragen, es soll später neu entstehen. Entworfen hatte den ikonischen Jugendstilbau von 1907 übrigens ein Theaterarchitekt.

Artikel aus der Ausgabe:
Ausgabe 392

Schwerpunkt: Kriminalität

Was Armut mit Kriminalität zu tun hat und wie ein Ex-Knacki Jugendliche vor dem Gefängnis bewahrt. Außerdem: Gemälde von Harburgs „Stadtmaler“ und Fotos von den „Arbeitern des Meeres“.

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Autor:in
Detlev Brockes
Detlev Brockes
lebt inzwischen in Lüneburg, aber ist ein Fan von Hamburgensien geblieben.

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