Freistellungsgebiete : Weiterhin Sozialwohnungen für Besserverdienende

Einige Sozialwohnungen in Steilshoop werden wieder an vordringlich Wohnungssuchende vergeben. Foto: bildarchiv-hamburg.de

Die Stadt will auch künftig geförderte Wohnungen an Gutverdienende vermieten, um für „soziale Durchmischung“ in Quartieren zu sorgen. Lediglich ein Bruchteil der betroffenen Wohnungen sollen künftig wieder an Menschen in Wohnungsnot vergeben werden.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Monate hat die Behörde geprüft, das Ergebnis ist enttäuschend: Auch künftig werden in Hamburg Besserverdienende in Sozialwohnungen leben, die für Menschen mit geringem Einkommen gebaut worden sind. Die bestehende Ausnahmeregelung habe der Senat „sehr genau an die Bedürfnisse vor Ort angepasst“, erklärte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt am Mittwoch anlässlich der Verlängerung der sogenannten Freistellung bis Ende 2025. Im Ergebnis würden 1270 geförderte Wohnungen in Neuallermöhe-West und Steilshoop wieder an Menschen mit geringem Einkommen vermietet.

Insgesamt geht es um rund 7000 Sozialwohnungen in Steilshoop, Mümmelmannsberg, Wilhelmsburg und Neuallermöhe-West. Der Großteil, 5730 Wohnungen, bleibt weiterhin für Menschen in Wohnungsnot unerreichbar. Das Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik beklagt eine „vertane Chance“ und sieht „ein völlig falsches wohnungspolitisches Signal“: „Für Menschen, die trotz Dringlichkeitsschein teilweise jahrelang auf eine Wohnung warten, ist das eine falsche und ganz bittere Entscheidung“, sagte Landespastor Dirk Ahrens, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hamburg, für den Zusammenschluss von Diakonischen Werk, Caritas, Stattbau und Mieter helfen Mietern.

Immobilienwirtschaft
„Dramatische Lage am Hamburger Wohnungsmarkt”
Trotz aller Neubaubemühungen wächst die Zahl der Wohn-Notfälle weiter an. Mehr als 13.000 Haushalte warten aktuell mit einem Dringlichkeitsschein vergeblich auf eine eigene Bleibe.

Mehr als 13.000 Haushalte in Hamburg gelten derzeit als Wohnungsnotfälle und warten dringend auf Wohnraum. Die Zahl ist in den vergangenen fünf Jahren um mehr als die Hälfte gestiegen. Würde die Stadt die Freistellungsgebiete komplett aufheben, könnten mindestens 300 Wohnungen pro Jahr zusätzlich für diese Menschen freiwerden. „Die Wohnungen sind genau für diesen Zweck gebaut und mit Steuermitteln subventioniert worden“, sagte Ahrens. „Jetzt – nach teilweise 40 Jahren – müssten sie bei Neuvermietungen wieder denen zur Verfügung gestellt werden, für die sie gedacht waren.“

Die ersten Freistellungsgebiete wurden 1977 geschaffen: in Steilshoop und Mümmelmannsberg. Damals gab es bis zu 400.000 Sozialwohnungen in der Stadt (aktuell: rund 77.000) und zugleich deutlich weniger Arbeitslose. Um die Stadtteile aufzuwerten, wurden Vermieter:innen von der Pflicht befreit, geförderte Wohnungen an Bedürftige zu vermieten. Fast 45 Jahre später hat sich die Situation komplett gewandelt: Der Mangel an günstigen Wohnungen ist eklatant.

Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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