Leichte Sprache : „Die Menschen haben mit mir Geduld“

Annegret Jenkel kennt das Internet nicht gut. Im Digitalcafé bekommt sie Hilfe. Foto: Imke Lass

Ältere Menschen haben Probleme mit dem Internet.
Sie können Hilfe in Schulungen und Digital-Cafés finden.
Sehr viele Menschen brauchen die Hilfe.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Millionen Menschen brauchen Hilfe

„An die Geräte, fertig, los!“,
ruft Dagmar Hirche zu den Teilnehmer:innen.
13 ältere Menschen sitzen vor ihr und benutzen ihre Smartphones.
Sie machen gerade eine Schulung für das Internet.
Die Schulung ist in einem Raum von der Telekom in der Spitalerstraße.
Dagmar Hirche schaut in gespannte Gesichter.
Die älteren Menschen tippen angestrengt und haben viele Fragen.

Der Verein „Wege aus der Einsamkeit“ hilft den Menschen,
wo sie Hilfe brauchen.
„Die Schulungen für das Internet sind immer voll.
Die Warte-Listen sind lang“,
sagt die Leiterin Dagmar Hirche.
Viele Menschen lesen in der Zeitung über die Kurse.
Alle müssen und wollen lernen,
wie man digitale Technik und das Internet benutzt.
Aber es gibt nur wenige Schulungen.

3,4 Millionen Menschen in Deutschland nutzen das Internet nicht.
Viele von ihnen sind älter.
Fast jede fünfte Person zwischen 65 und 74 Jahren
kennt das Internet nicht.
Heute kann man viele Dinge online im Internet machen.
Man muss manche sogar online machen:

  • zum Beispiel einen Termin bei Ärzt:innen buchen
  • oder einen Termin auf dem Amt buchen
  • oder das Deutschland-Ticket kaufen.

Alles nur online möglich

Renate Rojahn ist oft bei den Kursen von Dagmar Hirche.
Renate hat Probleme mit der Digitalisierung.
Digitalisierung heißt,
dass man viele Dinge online machen soll.
Renate ist 77 Jahre alt.
Sie wollte im Internet einen Parkausweis für Gäste bekommen.
„Mein Sohn hat mich besucht.
Er musste 12 Euro bezahlen.
Eigentlich wären es nur drei Euro gewesen.“
Sie hatte den Antrag im Internet ausgefüllt.
Aber sie sollte dann auch online bezahlen.

Online etwas bezahlen nennt man auch:
Das Online-Banking.
Renate nutzt das Online-Banking nicht,
sie kann online nichts kaufen oder bezahlen.
Ihr Sohn könnte für sie bezahlen,
aber Renate Rojahn möchte unabhängig bleiben.
Sie ist wütend und fühlt sich ungerecht behandelt,
weil sie ausgeschlossen ist.

Im Digital-Café

Das Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel
hat seit Sommer 2022 Sprechzeiten im Digital-Café.
Das Digital-Café ist ein Ort für ältere Menschen,
wo sie Hilfe zu allen Themen rund ums Internet bekommen.
Annegret Jenkel ist 79 Jahre alt und wohnt im Senior:innen-Stift.
Sie geht oft in das Digital-Café.
„Ich verstehe vieles nicht
und ich benutze das Internet selten“,
sagt Annegret.

Zehn Freiwillige helfen in Poppenbüttel den älteren Menschen.
Manche Freiwillige sind geschult in Internet-Technik,
es sind aber auch Schüler dabei.
„Ich ziehe mich eigentlich lieber zurück.
Es ist mir unangenehm,
wenn ich etwas falsch mache“,
sagt Annegret.
„Aber die Menschen hier haben mit mir Geduld.
Ich kann alles fragen.“

Annegret Jenkel war früher Kranken-Schwester.
Sie hat schon Sorgen,
wenn sie online etwas bezahlen soll.
Oder wenn sie den Fahrplan für die Busse wissen möchte.
Es gibt eine App für Busse und Bahnen in Hamburg.
Das ist ein Programm auf dem Smartphone.
Auch die App kann sie noch nicht so gut nutzen.
Jetzt hat sie aber ein neues Problem:
Die Strom-Rechnung kommt eigentlich jedes Jahr mit der Post.
Aber nicht mehr in diesem Jahr.
Sie kann die Strom-Rechnung nur noch online sehen.
Dafür braucht sie ein Benutzer:innen-Konto.

Sie möchte am Telefon fragen,
wie sie das Benutzer:innen-Konto anlegt.
Die Telefon-Hilfe ist eine Computer-Stimme.
Annegret kommt aber dahin,
wo sie wahrscheinlich die richtige Information bekommt.
Die Computer-Stimme möchte das Passwort für ihr Konto wissen.
Aber sie hat doch noch gar kein Konto!
Sie legt traurig auf.
Sie arbeitet am Computer und hat viele Papiere auf ihrem Schoß.
Im Digital-Café bekommt sie Hilfe.

Ältere Menschen fühlen sich abgehängt

Sabine Braun kennt solche Probleme sehr gut.
Sie leitet die „Ämter-Lotsen“ bei der Diakonie Hamburg.
Die „Ämter-Lotsen“ helfen bei allen Fragen zu Behörden und Ämtern.
Sabine sagt:
„Sehr viele Menschen kommen zu uns,
die sich abgehängt fühlen und es auch sind.
Es werden immer mehr.“

Sie und die Freiwilligen von den „Ämter-Lotsen“ helfen seit 20 Jahren.
„In dieser Zeit hat sich viel verändert“,
sagt Sabine.
„Früher sind wir mit den Menschen zum Amt gegangen.
Wir haben das Problem direkt vor Ort gelöst.
Jetzt braucht man einen Termin,
wenn man mit den Leuten am Empfang sprechen möchte.
Und den Termin muss man online buchen.“

„Man braucht immer das Internet,
sogar wenn man dringend Hilfe sucht und in Not ist.
Man muss aber auch anders zu den Ämtern kommen können.

„Große Probleme kann man besser im direkten Gespräch lösen“,
sagt Sabine Braun.

Immer wieder etwas Neues

Die Senior:innen in der Internet-Schulung geben sich viel Mühe
bei Frau Hirche in der Spitalerstraße.
Sie wollen nicht abgehängt sein.
Es geht um:

  • Park-Ausweise,
  • Strom-Rechnungen
  • Behörden-Termine und andere Dinge.

Die Senior:innen tippen auf ihren Smartphones
und machen sich auch auf Papier ein paar Notizen.
Am Ende schaut Dagmar Hirche auf 13 stolze Gesichter.

Auch Annegret Jenkel gibt nicht auf.
Sie hat jetzt ein Benutzer:innen-Konto eröffnet
und kann die Strom-Rechnung sehen.
Sie will weiter in das Digital-Café kommen und noch mehr lernen.
Es ist schwierig für sie,
aber sie möchte das tun.
Denn sie weiß:
„Es kommt ja immer wieder etwas Neues auf mich zu.“

Übersetzung in Leichte Sprache: Capito Hamburg

Artikel aus der Ausgabe:

Verloren in der digitalen Welt

Digital ist schneller, einfacher, besser? Nicht unbedingt, wie unser Schwerpunkt zur Digitalisierung und den Problemen der Teilhabe deutlich macht. Außerdem: In einem ehemalige Hotel im Wienerwald bekommen Obdachlose wieder Boden unter den Füßen – mithilfe von eigensinnigem Federvieh. Und: Warum ein Graffiti auf dem Kemal-Altun-Platz in Ottensen von niemandem angetastet wird.

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Autor:in
Luca Wiggers
Luca Wiggers
1999 in Hannover geboren, hat dort Germanistik und Anglistik studiert und ist Anfang 2022 nach Hamburg gezogen. Seit Juni 2023 Volontärin bei Hinz&Kunzt.

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