Arbeiten im Hotel : „Außen hui, innen pfui“

Grabschende Gäste, schikanierende Chefs, übelste Arbeitsbedingungen: Stefanie Hirsbrunner erlebte während ihrer Ausbildung in einem Berliner Nobelhotel einen Albtraum. Ihre Einblicke hat die heute 33-Jährige zu dem Buch „Hotel fünf Sterne“ verarbeitet. Am Donnerstag liest sie daraus im DGB-Haus.

Stefanie Hirsbrunner hat ein Buch über die schlimmen Erlebnisse während ihrer Ausbildung i einem Berliner Nobelhotel geschrieben. Foto: Heiko Marquardt/Random House.
Stefanie Hirsbrunner hat ein Buch über die schlimmen Erlebnisse während ihrer Ausbildung in einem Berliner Nobelhotel geschrieben. Foto: Heiko Marquardt/Random House.

Als sie erst einen Praktikums- und dann einen Ausbildungsplatz ergatterte, dachte Stefanie Hirsbrunner, sie habe das große Los gezogen: eine Lehre in einem der renommiertesten Hotels der Stadt! Was konnte daran schon falsch sein? Doch was wie eine Versicherung für eine rosige Zukunft erschien, entpuppte sich als Albtraum: Überstunden, Demütigungen und Schikanen bestimmten bald das Leben der Auszubildenden. Von der Wertschätzung, die das Nobelhaus seinen gut betuchten Gästen entgegenbrachte, erlebte die angehende Hotelfachangestellte nicht mal einen Hauch.

„Hotel fünf Sterne. Reichtum, Macht und die Leiden einer jungen Angestellten“ heißt das Buch, in dem die heute 33-Jährige ihre Erlebnisse verarbeitet hat und aus dem sie an diesem Donnerstag lesen wird. Darin beschreibt Stefanie Hirsbrunner eindrücklich das „System Hotel“, das von strengen Hierarchien, hohem Druck und miesen Arbeitsbedingungen geprägt ist. Als Auszubildende hat die junge Frau alle Abteilungen des Luxushotels kennengelernt und erfahren, dass die, die die härteste Arbeit leisten – Küchenhilfen, Zimmermädchen oder eben auch Auszubildende und Praktikanten – oft nicht nur am schlechtesten behandelt werden, sondern in der Regel auch am wenigsten verdienen.

Ob der allgemeine Mindestlohn, der ab kommendem Jahr gelten wird, die Verdienste von Hotelmitarbeitern verbessern wird, soll im Anschluss an die Lesung diskutiert werden. Immerhin kann heute jeder dritte Vollzeitbeschäftigte in der Branche nicht ohne ergänzende Hilfen seinen Lebensunterhalt bestreiten, weil die Einkommen oft so niedrig sind. Stefanie Hirsbrunner ist skeptisch, was die Wirkung des Mindestlohns angeht, auch wenn sie ihn ausdrücklich begrüßt. Schließlich hat sie selbst erlebt, wie staatliche Kontrolleure getäuscht werden, etwa wenn sie die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze kontrollieren: „Da werden Dienstpläne gefälscht und ausgehängt, und wenn die Kontrolle vorbei ist, kommt wieder der echte Dienstplan an die Wand.“

Veränderungen in der Hotellerie müssten von oben kommen, meint die Autorin: „Das ist eine Frage der Unternehmenskultur.“ Die Beschäftigten selbst hätten gar nicht die Zeit und Kraft, Verbesserungen für sich einzufordern, so ihre Erfahrung. „Wenn du zwei Wochen lang jeden Tag 18 Stunden durcharbeitest, zum Teil ohne Mittagessen, wie willst du dir da noch Gedanken machen? Du schuftest von morgens bis abends und bist froh, wenn du am Ende des Monats ein paar Euro auf dem Konto hast.“ Und einen Betriebsrat habe es in „ihrem“ Hotel nicht gegeben: „Es gab wohl ein- oder zweimal entsprechende Initiativen. Aber die Leute sind dann ganz schnell gefeuert worden.“ Was dazu wohl die Vertreter des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sagen, die ihr Kommen ebenfalls zugesagt haben?

Stefanie Hirsbrunner hat nach mehreren Jahren in der Hotellerie Politikwissenschaft studiert und arbeitet heute als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Deutschen Afrika Stiftung. Zurück in die Branche könnte sie nicht, selbst wenn sie es wollte: „Mein Rücken ist kaputt.“ Denn Gesundheitsprävention für Mitarbeiter sei in dem vermeintlich erstklassigen Hotel kein Thema gewesen, berichtet sie. Genauso schlimm und ebenfalls bezeichnend: Während den Gästen erlesenste Speisen aufgetischt wurden, sei das Kantinenessen teilweise so schlecht gewesen, dass in zwei Fällen Hotelmitarbeiter Salmonellenvergiftungen erlitten. Das Fazit der Autorin: „Außen hui, innen pfui.“

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Text: Ulrich Jonas
Foto: Heiko Marquardt/Random House

Lesung, 18.9., 19 Uhr, Klub im DGB-Gewerkschaftshaus, Besenbinderhof 62, Anmeldung erwünscht per Mail unter hamburg@fes.de beim Veranstalter, dem Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung
„Hotel fünf Sterne. Reichtum, Macht und die Leiden einer jungen Angestellten“ von Stefanie Hirsbrunner, Gütersloher Verlagshaus, 19,99 Euro.

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