„Ich hätte gerne ein besseres Leben gehabt“

(aus Hinz&Kunzt 211/September 2010)

Peter (56) verkauft seit 15 Jahren Hinz&Kunzt. Er steht jeden Tag auf der Schleusenbrücke am Rathausmarkt.

Bild 5Peter bebt, wenn er lacht. Sein Gesicht läuft rot an. Danach braucht der 56-Jährige immer einen kurzen Moment, um wieder Luft zu holen. Peter ist fröhlich, wenn er von seiner glücklichen Kindheit in Billstedt erzählt. Mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und sechs kleineren Geschwistern ist er dort in einem riesigen Haus aufgewachsen. „Die oberen drei Zimmer waren leer“, erinnert sich Peter. „Da hatte ich meine riesige Modell-Eisenbahn aufgebaut.“
Nach der Schule verläuft Peters Leben allerdings weniger glücklich. Als Sonderschüler findet er keinen Ausbildungsplatz und schlägt sich einige Jahre als ungelernter Schweißer, Fliesenleger und Lagerarbeiter durch. Meistens bei Zeitarbeitsfirmen, immer für wenig Lohn. Irgendwann kann er sich seine Miete nicht mehr leisten und zieht in ein Hotelzimmer, das vom Amt bezahlt wird. Seine damalige Freundin, die obdachlos ist, darf er dorthin nicht mitbringen. „Ich wollte sie nicht alleine draußen lassen, da hab ich lieber mit ihr Platte gemacht“, sagt Peter. Als die Beziehung in die Brüche geht, schafft er den Absprung von der Straße nicht. Er jobbt weiter als Lagerarbeiter und schläft trotzdem draußen, meistens am Rathausmarkt. „Meine Sachen hab ich tagsüber in Schließfächern verstaut“, sagt Peter. „Ich hatte ja nicht viel.“
Erst zwei Jahre später findet er gemeinsam mit einem Freund eine Wohnung in Harburg. Doch nach kurzer Zeit stirbt sein Mitbewohner, alleine schafft Peter es nicht, die Wohnung zu halten. „Ich kannte keinen, dem ich vertraut habe“, sagt er. „Und dann bin ich eben wieder auf die Straße.“ Dieses Mal geht es mit Peter noch weiter bergab: Vier Jahre ist er drogenabhängig, verliert endgültig den Kontakt zu seiner Familie.
Als er ganz unten ist, kommt Peter 1995 zu Hinz&Kunzt. Und obwohl er bald vom Heroin loskommt, gerät er in neue Schwierigkeiten. Weil er mehrfach ohne Führerschein am Steuer und ohne Fahrschein in der U-Bahn erwischt wird, muss er für 18 Monate in den Knast. Erst nach seiner Haft, im Sommer 2009, findet er endlich wieder eine Wohnung. Von seinem Leben zu erzählen, hat Peters Gesicht verdüstert. Aber dann hellt es sich doch wieder auf. „Vielleicht sollte ich doch mal einen Führerschein machen“, sagt er. „Ich würde bestimmt nur die Pflicht-Fahrstunden brauchen. Auto fahren kann ich ja.“

H&K:
Wo wohnst du derzeit? Und wie ist es da?
Peter: Ich wohne seit einem Jahr
in Hamm, in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Direkt nebenan ist ein schöner Park. Demnächst wird der Mietvertrag endlich auf mich übertragen, der lief bisher über eine Betreuerin.

H&K: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?
Peter: Ich hätte gerne wieder eine feste Arbeit, am liebsten als Fliesenleger. Aber noch wichtiger wäre Gesundheit, vor allem, dass ich keine Schmerzen mehr in den Beinen habe.

H&K: Was macht dich traurig?
Peter: Vor allem so richtig traurige Ge­schichten. Manchmal finde ich meine eigene Geschichte auch traurig. Ich hät­te gern ein besseres Leben gehabt.

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