Marienthal : Wohnungsbau verdrängt Flüchtlingsunterkunft

Vielerorts protestieren Anwohner gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte. Nicht aber in Marienthal. In dem Villenviertel unterstützen viele Helfer die ankommenden Flüchtlinge. Trotzdem soll die Unterkunft zum Jahresende schließen.

Bauwirtschaft
Bald schon könnten auf dem alten Concordia-Platz die Bagger anrollen. Dann entstehen dort 24 Wohnungen.

85 Jahre lang trug der SC Concordia seine Heimspiele im Stadion an der Oktaviostraße aus. Zu seinen Glanzzeiten strömten bis zu 10.000 Zuschauer in das beschauliche Villengebiet. Doch 2009 war Schluss. Das baufällige Stadion sollte Wohnungen weichen. Es handele sich um eine „nach örtlichen Verhältnissen größere Fläche“, heißt es im Wohnungsbauprogramm des Bezirks von 2011. Wie so oft, gründeten Anwohner umgehend eine Initiative. Zum Schutz des benachbarten Wandsbeker Gehölzes und gegen eine zu dichte Bebauung. Es folgten Verhandlungen. Schließlich präsentierte der Bezirk 2014 einen Bebauungsplan, der statt 60 nur noch 24 Wohnungen vorsah. Die Bagger rückten allerdings bis heute nicht an.

Im vergangenen Sommer konnte die Stadt den Investor dazu bewegen, die Fläche übergangsweise für eine Flüchtlingsunterkunft zur Verfügung zu stellen. Erst mit Zelten, später mit Containern. 700 Menschen leben dort inzwischen. Etwa 60 ehrenamtliche Helfer unterstützen die Ankommenden. Neben Sprachkursen, Sport für Kinder und Ausflügen organisieren die Ehrenamtlichen auch eine tägliche Kinderbetreuung, damit die Mütter in Ruhe Deutsch lernen können. „Es wäre mehr als schade, wenn die Menschen nun auf viele andere Unterkünfte verteilt würden“, sagt Jürgen Heßler, Sprecher der Ehrenamtlichen. Man sei dabei langfriste Strukturen aufzubauen. Rüdiger Heyer, Teamleiter der Kleiderkammer, sagt: „Es wird gerade eine Nähmaschine angeschafft, damit Flüchtlinge für Flüchtlinge Änderungen vornehmen können.“ Obwohl die Integration in den Stadtteil gut funktioniert, sollen die Flüchtlinge Ende des Jahres weg. Das Wohnungsunternehmen Behrendt Gruppe will mit dem Bau beginnen. Statt Container für 700 Flüchtlingen stehen dann auf der Areal acht Häuser mit 24 Wohnungen.

Der Stadt sind die Hände gebunden. Sie hat das Grundstück bereits im Dezember 2013 dem Investor anhand gegeben. Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel lobt ausdrücklich das „Entgegenkommen“ des Investors und verweist zugleich auf die „Vertragstreue“ der Stadt. Schließlich habe man dem Investor eine Räumung des Areals zum kommenden Jahr zugesichert. Einen kleinen Hoffnungsschimmer aber gibt es noch: „Falls sich der Baubeginn verschieben sollte, bemühen wir uns um eine längere Nutzung der Einrichtung“, sagt Sprandel.

Text: Jonas Füllner