Bürgerinitiativen : Streit um Wohnungsbau für Flüchtlinge

Im Streit um die geplanten Wohnsiedlungen für Flüchtlinge am Stadtrand kommt es heute in der Innenstadt zu Protesten. Neben einer Demonstration gegen die Baupläne ruft das Netzwerk Recht auf Stadt dagegen zur Kundgebung für Wohnungsbau auf.

In Groß-Borstel demonstrierten im November rund 800 Schüler und ihre Eltern gegen den Baustopp für eine Asylunterkunft.

Zur Demonstration in der Innenstadt rufen am Donnerstag (11.2.) Bürgerinitiativen auf. Die Initiativen unter anderem aus Rissen, Neugraben oder auch Klein-Borstel protestieren gegen den geplanten Bau von Wohnsiedlungen für Flüchtlinge. Gemeinsam wollen sie vom Gänsemarkt bis vor das Congress Center Hamburg (CCH) ziehen. Dort tagt heute der Stadtentwicklungsausschuss, bei dem Vertreter der Initiativen zu Wort kommen.

Seitdem der Senat im Herbst verkündete, 5000 Expressbauten speziell für Flüchtlinge an den Stadträndern zu errichten, regt sich Widerstand. Acht Initiativen haben sich zum Dachverband „Initiativen für erfolgreiche Integration“ (IfI) zusammengeschlossen. Sie fordern bessere Integrationsangebote, einen Viertelmix beim Wohnungsbau mit zwei Vierteln Sozial- und Flüchtlingswohnungen und eine Verteilung der Bauprojekte auf mehr Stadtteile als bisher. Vor allem aber fordern sie, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft begrenzt wird.

Die Fronten sind verhärtet. Weil der Senat an seinen Plänen festhält, haben einige Initiativen bereits vor Gericht einen Baustopp durchgesetzt. Auch ein Kompromissvorschlag des Bezirks Altona, der eine Verteilung der Baulast auf weitere Flächen vorsieht, lehnte die Bürgerinitiative Rissen ab.

Unterstützung erfährt der IfI-Dachverband derzeit von der CDU und Teilen der FDP. Auch die Linke teilt viele der Ziele der Bürgerinitiativen, unterstützt aber eine mögliche Volksinitiative nicht. Laut Senatsangaben müssen bis Ende 2016 rund 80.000 Flüchtlinge in Hamburg untergebracht werden. Die neuen Wohnungen wären 30 Jahre lang preisgebunden und würden lediglich 15 Jahre fest durch Flüchtlinge belegt, hält der Senat der Opposition entgegen. Bereits im Dezember hatte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel erklärt: „Wenn wir Massenobdachlosigkeit verhindern wollen, dann können und dürfen wir bei der Schaffung von größeren Unterkünften keine Zeit verlieren.“

In dem Streit um den Bau der Wohnungen für Flüchtlinge melden sich jetzt auch Initiativen aus dem Netzwerk „Recht auf Stadt“ mit einer 10-Punkte-Erklärung zu Wort. Sie warnen vor einer Kampagne gegen Flüchtlingsunterkünfte, der sich Rechtspopulisten und Rassisten anschließen könnten. Mit einer eigenen Kundgebung vor dem CCH wollen sie sich in die Diskussion „einmischen“ und den Dialog mit den protestierenden Bürgern aufnehmen. „Die elende Situation in den Containern, Lagerhallen, Ex-Baumärkten und anderen Massenunterkünften muss so schnell wie möglich behoben werden. Auch wenn wir Kritik an der Ausgestaltung der Planung haben: Es ist eine richtige Entscheidung, dass der Hamburger Senat schnell agiert“, heißt es in der Erklärung des Netzwerks. „So schnell, so viel, so zentral, so hoch wie eben nötig und möglich“, solle jetzt gebaut werden.

Kritik am Bürgerprotest formulieren zudem die betroffenen Flüchtlinge. „Auch wenn wir Forderungen der IfI wie die Idee eines Viertelmixes begrüßen, haben wir doch den Eindruck, dass der Protest der Initiativen sich vor allem aus der Abwehr eines Zuzugs von zu vielen Geflüchteten speist, weil dies als ‚problematisch’ angesehen wird“, sagt Flüchtlingssprecher Elias Haddad, der in der Zentralen Erstaufnahme Schnackenburgallee lebt. „Wir Geflüchteten sind kein stadtpolitisches Problem, sondern Menschen mit eigenen Erfahrungen und Vorstellungen.“

Während weiter um den Wohnungsbau gestritten wird, verkündete der Senat am Dienstag die Eröffnung einer weiteren Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge in Meiendorf. Bis zu 600 Flüchtlinge werden dort künftig in einer weiteren ehemaligen Baumarkthalle schlafen müssen.

Do., 11.2., um 15:45 Uhr startet die Demonstration der Initiativen für erfolgreiche Integration am Gänsemarkt. 1500 Teilnehmer werden erwartet. Die Initiativen aus dem Netzwerk Recht auf Stadt wiederum versammeln sich um 16:30 Uhr vor dem CCH zur Kundgebung.

Text: Jonas Füllner
Foto: Actionpress / Matthias V. Braun