Leichte Sprache : Von Punks und Stink-Lichtern

Der Künstler Rocko Schamoni. Foto: Miguel Ferraz

Der Künstler Rocko Schamoni hat über sein Leben ein Buch geschrieben.
Das Buch erzählt von einem unsicheren jungen Mann
und über das Hamburg von früher.
Wir treffen den Künstler im Schanzen-Viertel.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Es ist Anfang April.
Rocko Schamoni trägt einen dicken Mantel,
einen Schal, eine Mütze und einen Regenschirm.
Wir erkennen Rocko kaum.
Er sieht ein bisschen müde aus.
Rocko kommt gerade aus der Stadt Wien in Österreich,
dort ist er im Fernsehen gewesen.
Vorher hat er in Berlin eine lustige Fernseh-Serie gedreht,
er spielt dort einen Vampir.
Ein Vampir kann fliegen und trinkt das Blut von Menschen.

In wenigen Tagen erscheint das neue Buch von Rocko Schamoni.
Das Buch heißt „Pudels Kern“.
Rocko beschreibt in dem Buch sein eigenes Leben.
Er erzählt von den Jahren 1986 bis 1991.
Damals war Rocko ein neugieriger und trauriger Jugendlicher.
Er gründete mit Freunden den „Golden Pudel Club“.
Der Club war erst im Schanzen-Viertel.
1991 öffnete der Club an der Hafen-Treppe in Hamburg.

Ein bekannter Künstler

Schamoni ist heute ein Künstler aus Hamburg.
Er macht viele Dinge:

·      Theater,

·      Musik,

·      Veranstaltungen,

·      er ist Schauspieler und

·      Komiker.

Er sagt in einem Café in der Schanzen-Straße:
„Es klingt ein bisschen seltsam für mich.
Aber wenn mich jemand fragt,
sage ich: Ich bin Künstler“.
Er möchte etwas machen,
das andere Leute mögen können.

Rocko Schamoni ist sehr bekannt.
Sein richtiger Name ist: Tobias Albrecht.
Im Fernsehen war neulich die ‚Rocko Schamoni Super-Show‘.
Das ist eine Serie mit ernsten Gesprächen
und witzigen Erlebnissen von Reisen und Auftritten.
Die Serie hat vier Teile.

Der Künstler Rocko Schamoni ist sehr erfolgreich:

• Er hat viele Musik-Stücke veröffentlicht.

• Seine Fernseh-Auftritte sind sehr beliebt.

• Seine Vorstellungen sehen immer viele Menschen.

• Auch das neue Buch verkauft sich sehr gut.

Viele Menschen erkennen Rocko Schamoni auf der Straße.
Und er ist fast 2 Meter groß.
Man kann ihn also kaum übersehen.
Er weiß auch sehr gut,
dass Kunst und Kultur eine schwere Arbeit ist.
Manche Menschen halten die Arbeit nur mit Drogen aus.
Das Buch „Pudels Kern“ ist für zwei Musiker und Freunde,
die schon sehr früh an Drogen und Krankheiten gestorben sind:
Tobias Gruben und Nils Koppruch.

Hoch fliegen, tief fallen

Im Buch schreibt Rocko von einem Feuer-Vogel.
Der Vogel fliegt viel zu hoch,
er wird also irgendwann in die Tiefe fallen.
So wie der Feuer-Vogel war auch der junge Rocko.
Eine große Musik-Firma wollte mit viel Geld
aus Rocko einen „deutschen Top-Star“ machen.

Er sagt heute:
„Ich wollte mit 18, 19 Jahren auf jeden Fall,
dass ich schnell bekannt werde.
Ich habe dafür eine Menge gemacht.
Aber alles konnte ich nicht machen.
Ich gehöre nicht zu einer bestimmten Gruppe von Menschen.
Neulich habe ich in Berlin vor berühmten Menschen gelesen.
Ich bin danach ganz schnell weg
und in einen anderen Stadt-Teil gefahren.
Dort habe ich an einer Straßen-Ecke ein Bier getrunken.
Ich habe mich sehr geschämt.“

Die Anfänge an der Ostsee

Rocko Schamoni hatte am Anfang oft Scham und Selbst-Zweifel.
Er nannte sich damals: Roddy Dangerblood.
Er spielte Lieder, die an Schlager erinnerten.
Diese Lieder waren lustig und kindisch.
Er spielte vor Freunden an der Ostsee und sang zum Beispiel:
„Abendrot – ohoho
Manuela ist schon lange tot – ohoho“.

Rocko erinnert sich an die Zeit,
als er seine Songs in Timmendorfer Strand gesungen hat.
Alle haben sich darüber gefreut.
Nur ein paar Punks aus der Gegend waren dabei.
Punks sind eine junge, wilde Sub-Kultur.
Genau das Richtige für Rocko.
Später hat er direkt vor der Band „Die Toten Hosen“ gespielt,
vor 1.500 Leuten und das war nicht gut.
Das ganze Publikum war gegen ihn.
Rocko wäre selbst aufgestanden
und hätte gesagt: ‚Hör auf, es nervt!‘

Der Punk zieht nach Hamburg

Rocko schläft oft sehr wenig,
er trinkt viel und hat oft Momente voller Angst.
Im Sommer 1986 zieht er von der Ostsee nach Hamburg.
Er ist bei seinem alten Freund Schorsch Kamerun.
Sie machen alle Punk-Musik.
Schorsch Kamerun hat die bekannte Band „Die Goldenen Zitronen“.
Roddy tritt nur als Vorprogramm auf.
Er trägt dann einen riesengroßen schwarzen Hut,
niemand nimmt ihn ernst.
Er fühlt sich sehr schlecht und gekränkt.

Auch Jahre später wird Rocko nicht erfolgreicher.
Er nennt seine Band nun „King Rocko Schamoni and the Explosions“,
die Musik soll wie der Musiker James Brown klingen.
Die Firma Polydor will 2 Platten machen
und bietet dafür sehr viel Geld.
Der Musiker Bela B. von der bekannten Band „Die Ärzte“
macht die Aufnahmen mit Rockos Band.
Aber die Platten bleiben ohne Erfolg.
Die Musik-Firma hat viel zu viele Platten, Kassetten und CDs,
die niemand kauft.
Also hat man sie schließlich wieder zerstört.

Rocko hat für das Buch mit alten Freunden von früher gesprochen
und alte Tagebücher gelesen.
Er weiß selbst nicht mehr genau,
ob alles ganz richtig ist im Buch:
„Etwa 3 Viertel vom Buch sind richtig.
Das restliche Viertel sind wohl nicht mehr ganz wahr.
Wir haben diese Dinge so oft erzählt,
dass man nach 30 Jahren längst nicht mehr weiß,
wer richtig liegt.“

Das Hamburg der „Stink-Lichter“

Rocko schreibt in seinem Buch über das Hamburg von früher.
St. Pauli war damals der Ort für verrückte Leute.
Die Kneipen waren dunkel und schmuddelig,
„Stink-Lichter“ nennt Rocko diese Kneipen.
Arbeiter vom Schlacht-Hof und Migranten wohnten im Schanzen-Viertel.
Schamoni wohnte in einem kleinen Zimmer ohne warmes Wasser.
Ein riesiger Elektro-Speicher für Warmwasser war über der Wanne.
Der Speicher sah aus,
als ob er jeden Moment herunter fallen kann.

Schamoni schreibt über sehr persönliche Dinge,
aber auch über Treffen mit dem Sänger Peter Maffay.
Oder mit dem Musiker Blixa Bargeld.
Der Ton im Buch „Pudels Kern“ wird lustig und interessant,
wenn Rocko über die Kneipe erzählt.
Zuerst geht es um die ‚Pudel Boutique‘:
Schamoni und seine Freunde verkaufen Mode aus den 70er Jahren.
Schamoni findet den Pudel absolut perfekt für den Laden:
„Der Pudel ist altmodisch und spießig.
Aber er ist auch in Sub-Kulturen sehr beliebt.“

Der alte, wilde Pudel Club

Rocko Schamoni zeigt an der Ecke Kamp-Straße und Schanzen-Straße
auf eine Eck-Kneipe.
Dort ist heute ein grauer Neubau-Haus mit einem Café.
Bis Anfang der 90er Jahre war dort eine alte, kaputte Eck-Kneipe.
Das war der „Golden Pudel Club“.
Schamoni sagte damals dem Vermieter,
dass er dort nur „Fahrräder reparieren“ möchte.
Doch es gab viele Veranstaltungen im „Pudel Club“.
Schamoni zeigt auf das Café.
„Früher gab es dort einen Tresen.
Der Autor Heinz Strunk hat dort bei einer Lesung gesessen.
Und Helge Schneider hat hier sein erstes Hamburg-Konzert gegeben.

Das Schanzen-Viertel hat sich heute stark verändert.
Es gab hier früher viele schlechte Läden.
Heute gibt es teure Kleidungs-Geschäfte.
Schamoni findet das schade und sagt:
„Hamburg ist so fertig“.
Er meint damit „sauber“.
Alle kaputten Häuser sind neu gemacht und
alle kaputten Keller sind geschlossen.
„Das Wilde und Kaputte von früher,
das gibt es nicht mehr.“

Schamoni ist jetzt öfter an der Ostsee,
wo er aufgewachsen ist.
Er betreibt dort ein Kultur-Zentrum.
Er sagt:
„Hamburg und ich – das ist nicht für immer.“

 

 

Schamoni hören und lesen
Lesungen mit Rocko Schamoni:
Donnerstag, 30. Mai,
20 Uhr,
in der „Fabrik“ in Altona.

Mittwoch, 25. September,
20 Uhr,
Schauspielhaus.

Das Buch „Pudels Kern“ ist bei Hanserblau erschienen.
Das Buch kostet 26 Euro.

 

Übersetzung in leichte Sprache: capito Hamburg

Autor:in
Jan Paersch
Freier Kulturjournalist in Hamburg. Zwischen Elphi und Stubnitz gut anzutreffen - und immer auf einen Espresso.

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