Beratung für EU-Bürger : „Viel mehr Bedarf als gedacht“

Schon in den ersten zehn Tagen haben rund 100 Menschen Hilfe bei der neuen Anlaufstelle für EU-Bürger gesucht. Sozialarbeiter Andreas Stasiewicz unterstützt bei Übersetzungen und Behördenterminen – aber auch bei der Rückkehr nach Hause.


Sozialarbeiter Andreas Stasiewicz berät in der neuen Anlaufstelle für EU-Bürger im Schnitt zehn Personen am Tag.

Der Bedarf ist so groß, dass Andreas Stasiewicz schon Termine vergeben muss. Seit zehn Tagen bietet der Sozialarbeiter mit einer Kollegin eine Sprechstunde für EU-Bürger in Hamburg an. Die neue Anlaufstelle in der Spaldingstraße, im selben Gebäude wie das Winternotprogramm der Stadt, ist täglich zwei Stunden geöffnet. „Wir beraten täglich im Schnitt zehn Personen“, sagt Andreas Stasiewicz. Das sind rund 100 Hilfesuchenden in den ersten anderthalb Wochen.

Vor allem aus Polen, Bulgarien und Rumänien kommen sie – Italiener und Spanier waren aber auch schon dabei. Längst sind es nicht nur Wohnungslose, die im Winternotprogramm untergekommen sind, die Stasiewicz und seine Kollegin aufsuchen: „Viele Anfragen kommen von außerhalb.“ So bitten Männer, die in Hamburg leben und arbeiten, um Übersetzungen oder Unterstützung bei amtlichen Anträgen. Obdachlose und Alkoholkranke brauchen Vermittlung zu anderen Hilfeangeboten wie Therapieeinrichtungen. „Das Hauptproblem sind bei allen die Sprachschwierigkeiten“, sagt Stasiewicz, der selbst polnisch, tschechisch und russisch spricht und rumänische und bulgarische Dolmetscher besorgt.

Doch die Geschichten und Probleme der Hilfesuchenden unterscheiden sich auch, je nachdem, woher sie stammen. Aus Rumänien berät der Sozialarbeiter oft Roma-Familien: „Sie sind vor Diskriminerung oder extremer Armut geflohen.“ Vor allem junge Männer kommen aus Bulgarien. „Sie werden unter falschen Vorraussetzungen nach Deutschland gelockt, mit gefälschten Arbeitsverträgen, für die sie oft hunderte Euro Vermittlungsgebühr bezahlt haben.“ In Hamburg würden sie dann abgesetzt – ohne Unterkunft und ohne Arbeit.

„Aus Polen haben wir viele, die zum Beispiel auf dem Bau arbeiten.“ Viele seien alkoholabhängig, so Stasiewicz, und hätten enorme psychische Probleme. Zum Glück gäbe es in Polen – im Gegensatz zu Bulgarien oder Rumänien – ein einigeraßen funktionierendes Sozialhilfe- und Gesundheitssystem. Denn: „Gesund werden können sie nur Zuhause. Was hilft schließlich der beste Therapieplatz, wenn einer sich nicht mit dem Arzt verständigen kann?“

Um Hilfe bei der Rückkehr in die Heimat werden die Sozialarbeiter immer wieder gebeten. Dabei arbeitet die Anlaufstelle eng mit dem Straßensozialarbeitsprojekt Barka zusammen. Drei Männern, je einem aus Bulgarien, Rumänien und Polen, wurde bereits in der ersten Woche seit Start der Anlaufstelle die Rückkehr in ihre Heimatländer ermöglicht. „Die sind in Hamburg gestrandet und wollten nur wieder nach Hause. Sie waren ganz verzweifelt und haben sogar geweint“, sagt Andreas Stasiewicz.

Seine erste Bilanz nach anderthalb Woche Beratung von EU-Bürgern: „Der Bedarf ist viel größer als wir gedacht haben. So eine Anlaufstelle wird immer sehr viel zu tun haben – und zwar das ganze Jahr über.“