Kommentar : Vertreibung bringt nichts

Die Hamburger Morgenpost berichtete am Montag über „Das Säufer-Elend auf St. Pauli“. Es reicht aber nicht, die Situation zu beklagen, meint Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. In seinem Kommentar fordert er mehr Hilfsangebote für Obdachlose.

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Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer fordert mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose und eine Gepäckaufbewahrung auf St. Pauli.

Wir haben Verständnis für die Anwohner und die Geschäftsleute, die sich über Obdachlose beklagen, die auf der Reeperbahn Platte machen. Aber hier geht es nicht in erster Linie um ein ordnungspolitisches, sondern um ein soziales Thema. Die Menschen zu vertreiben, führt nur zu einer Verschiebung des Problems.

Wenn nicht genügend Wohnraum vorhanden ist und keine Unterkünfte für Obdachlose mehr angeboten werden können, ist es logisch, dass die Menschen irgendwo in der Stadt sichtbar werden und verelenden. Natürlich suchen sich Obdachlose auch Plätze aus, die von Touristen besucht werden, um sich dort den ein oder anderen Euro zu erbetteln. Die meisten dieser Menschen sind körperlich sehr krank und bräuchten dringend eine ärztliche Versorgung und Wohnraum, um zur Ruhe zu kommen.  Auch Sozialarbeit kann hier nur bedingt eingreifen, wenn sie keine entsprechenden Angebote machen kann.

Dass Menschen, die sich auf einer Platte niedergelassen haben, den ganzen Tag auf ihr Hab und Gut aufpassen, ist verständlich. Denn sie haben Angst, dass der Schlafsack, die Isomatte oder der Rucksack abhanden kommen. Deshalb fordern wir eine Gepäckaufbewahrung, gerade auch im Bereich St. Pauli, wo Obdachlose ihr Gepäck morgens abgeben und abends wieder abholen können. Außerdem brauchen wir Straßensozialarbeit, die den Menschen auch Angebote unterbreiten können muss, um ernst genommen zu werden.

Diese Angebote kosten Geld. Solange die Stadt Hamburg nicht bereit ist, dieses zur Verfügung zu stellen, so lange werden wir Lager von Obdachlosen auf Hamburgs Straßen ertragen müssen.

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2013 hatte das Künstlerkollektiv We are visual aus Protest gegen Vertreibung von Obdachlosen einen Lüftungsschacht auf dem Kiez zu einem Etagenbett umgebaut.

Protokoll: Annette Woywode
Foto: Screenshot aus dem Video des Künstlerkollektivs WAV