Wanderarbeiter : Versteckte Schönheit

Für seine Fotoserie „Asian Workers Covered“ porträtierte Ralf Tooten mehr als 1000 Wanderarbeiter in Thailand. Die Bilder zeigen verhüllte ­Menschen, für die ihre Kleidung mehr ist als eine Schutzmaßnahme gegen Hitze und Staub: Sie dient als Ausdruck der Persönlichkeit.

(aus Hinz&Kunzt 251/Januar 2014)

Nach Schätzungen arbeiten rund drei Millionen Wanderarbeiter  in Thailand auf Baustellen, in Fabriken, in der Fischerei oder  Landwirtschaft. Rund 80 Prozent kommen aus dem benachbarten  Myanmar, dem früheren Burma, und halten sich illegal im Land auf.
Nach Schätzungen arbeiten rund drei Millionen Wanderarbeiter in Thailand auf Baustellen, in Fabriken, in der Fischerei oder Landwirtschaft. Rund 80 Prozent kommen aus dem benachbarten Myanmar, dem früheren Burma, und halten sich illegal im Land auf.

Heute ein Model. So posiert er zumindest. Dabei ist der Mann von oben bis unten verhüllt, nur die Augen blicken frei in die Kamera. Der restliche Körper auf dem Foto: Verborgen unter bunten Stoffen. Sie verleihen dem Mann Anonymität, einerseits. Denn Kleidung bedeutet für ihn und die anderen Wanderarbeiter auf Thailands Großbaustellen vor allem Schutz: Schutz vor Hitze und Staub während sie schuften, morgens, mittags, abends, nachts. Schutz ihrer Identität, wenn sie als Illegale ins Land gekommen sind. Doch die (Ver-)Kleidung hat eine weitere wichtige Funktion, wie der Fotograf Ralf Tooten mit seinen Bildern zeigt: „Sie dient den Arbeitern als Ausdruck ihrer Persönlichkeit“, sagt er. „Durch den Farben- und Stilmix werden sie sichtbar, stechen heraus aus der Masse.“

Man muss nur genau hinsehen. Und das hat Ralf Tooten für seine Fotoserie „Asian Workers Covered“ getan. Mehr als drei Jahre lang porträtierte er insgesamt mehr als 1000 Arbeiter und ihre unverwechselbare Mode auf rund 40 Baustellen in Thailand. „Dabei stand für mich nicht die Politik im Vordergrund“, sagt er.

Natürlich sei das Leben der Arbeiter „kein Zuckerschlecken“, sie würden für wenige Dollar pro Tag ausgenutzt und ausgebeutet. Aber: „Ich will sie nicht als Opfer darstellen und kein Mitleid erzeugen.“ Vielmehr sollen die Männer und Frauen als stolze Individuen ins Blickfeld rücken – versteckte Schönheiten mit Faible für bunte Stoffe und Tücher.

 „Man begegnet hier ständig vermummten Arbeitern. Die Kreativität und Ästhetik ihrer Kleidung erkennen aber nur wenige.“

Auf Tuchfühlung gehen, damit begann in gewissem Sinne schon Ralf Tootens Karriere als Fotograf: Als 16-Jähriger beobachtete er einen Architekturfotografen in Köln, der „noch so richtig altmodisch“ unterwegs war, mit einer Großbildkamera auf einem Stativ, verhüllt unter einem schwarzem Tuch. „Das hat mich sofort fasziniert.“ Und auch in Bangkok, wo er mittlerweile seit zehn Jahren lebt – „diese Mischung aus Chaos, Thai-Food und Buddhismus ist genau mein Ding“ – waren es wieder Stoffe, die ihn begeistert haben: „Man begegnet hier ständig vermummten Arbeitern. Die Kreativität und Ästhetik ihrer Kleidung erkennen aber nur wenige.“ Ralf Tooten hingegen schon, und so kam er auf die Idee zu „Asian Workers Covered“.

Anfangs sei es schwierig gewesen, Zugang zu den Baustellen zu erhalten: „Teilweise wurde ich mit Schimpf und Schande vertrieben, einmal musste ich das ganze Filmmaterial abgeben.“ Schließlich seien viele Arbeiter illegal tätig, „die Chefs finden es dann nicht witzig, wenn jemand mit einer Kamera auftaucht“. Doch nach und nach gewann Ralf Tooten das Vertrauen von immer mehr Arbeitern. „Die meisten blühten in meinem mobilen Fotostudio richtig auf, wir haben viel zusammen gelacht.“ Zu einigen hielt er noch mehrere Monate Kontakt, er zeigte ihnen die entstandenen Fotoaufnahmen. „Aber irgendwann zogen sie alle weiter. Heute würde ich wohl niemanden mehr auf derselben Baustelle treffen.“

Dem Thema Wanderarbeiter und „seiner“ Stadt bleibt er trotzdem treu: Gemeinsam mit Roger Willemsen – „wir haben uns vor Jahren zufällig kennengelernt. Bei einem Fahrradzusammenstoß an der Alster“ – veröffentlichte er das Buch „Bangkok Noir“, im vergangenen Jahr setzte er zudem seine „Asian Workers Covered“-Ausstellung mit Porträts weiterer Arbeiter fort. Dieses Mal zeigte er sein Werk anschließend allerdings bewusst Open Air, angebracht beispielsweise an Brücken oder Häuserfassaden. „Damit wollte ich die Bilder für jeden zugänglich machen.“ Und die Arbeiter für jeden sichtbar. Denn so ganz nebenbei gibt er ihnen mit seinen großformatigen Porträts das, was sie in ihrem harten Alltag wahrscheinlich am meisten vermissen: Anerkennung und Würde.

Foto: Ralf Tooten
Text: Maren Albertsen

„Asian Workers Covered“ von Ralf Tooten ist Teil der Ausstellung „Wanderarbeiter – Fotografien einer neuen Arbeiterklasse“. Bis 2.3., Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, Mo, 13–21 Uhr, Di–Sa, 10–17 Uhr, So und feiertags 10–18 Uhr, 6/4 Euro, unter 18 Jahren frei. Weitere Infos: Telefon 428 13 30 und www.museum-der-arbeit.de Website von Ralf Tooten: www.tooten.com