Unsere Herausgeber und Gesellschafter

Seit 20 Jahren stehen die Diakonie und die Patrioten hinter uns.

(aus Hinz&Kunzt 249/November 2013)

Die Gründerjahre mit Stephan Reimers

„Geben macht glücklich“, findet Hinz&Kunzt-Gründer Stephan Reimers. Deshalb engagiert sich der 69-Jährige auch weiterhin für Obdachlose und Zuwanderer.
„Geben macht glücklich“, findet Hinz&Kunzt-Gründer Stephan Reimers. Deshalb engagiert sich der 69-Jährige auch weiterhin für Obdachlose und Zuwanderer.

„Ich hatte ja viel mit Bettlern zu tun“, sagt Stephan Reimers, als sei es völlig klar, dass „man“ sich doch mit jedem unterhalte, mit der Verkäuferin beim Bäcker, mit Freunden, mit dem Hausmeister, mit den Kollegen – und ja, eben auch mit dem Bettler auf der Straße. „Ich krieg ja sowieso keinen Job, mich nimmt doch keiner“, habe er da immer wieder zu hören bekommen und gespürt, wie resigniert und hoffnungslos die Menschen waren. Er habe meist etwas gegeben, habe aber immer gedacht: „Die Menschen brauchen doch etwas anderes. Etwas, womit sie gleich etwas Geld – und Anerkennung bekommen. Und wo sie ohne bürokratische Hürden gleich mitmachen können. Etwas, das ihnen die Würde wiedergibt.“

Mit einem Straßenmagazin wollte er damals „Menschen einen Anreiz geben, um neues Selbstvertrauen zu entwickeln. Ich wollte Menschen ermutigen, selbst wieder aktiv zu werden und wieder eine Chance für sich zu sehen.“ Er hatte nicht erwartet, dass sich daraus eine „doppelte Ermutigung“ ergeben würde. „Viele Menschen sind damals zu uns gestoßen, es war eine richtig sozial-kreative Bewegung.“ Hinz&Kunzt war Stephan Reimers’ Baby, und jedes Jahr kam ein neues hinzu: die Hamburger Tafel und das Spendenparlament, die Kirchenkaten und der Mitternachtsbus, die Rathauspassage …

Und es wurde deutlich, „dass viele Menschen etwas zum Anfassen“ brauchten, Projekte, bei denen sie mitmachen konnten. Die Tafel, der Mitternachtsbus und die Rathauspassage sind dafür geradezu ideal. Diese Energie bei den Hamburgern zu sehen, „das war für mich fast das Schönste“. Niemals hätte der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete allerdings gedacht, dass das Magazin so groß werden und sich über einen so langen Zeitraum etablieren würde. Denn obwohl er selbst in der Stadt ein gutes Standing hatte und viele Menschen kannte, die gerne seine Projekte unterstützten, sei er mit dem Thema Obdachlosigkeit in der Privatwirtschaft zunächst auf taube Ohren gestoßen. Kinder ja, aber Obdachlose? Es war schließlich die Kirche, die eine Anschubfinanzierung von 50.000 DM leistete. (Den Betrag haben wir übrigens Jahre später, als wir dann auf eigenen Beinen standen, an unsere „Schwester“, die Rathauspassage, weitergegeben.)

Die Zeit mit Stephan Reimers war eine Zeit voller Aufbruchsstimmung. Als er Ende 1999 aufhörte, ahnten wir schon, dass wir politisch raueren Zeiten entgegengingen. Stephan Reimers ging nach Berlin, wurde Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche Deutschlands. Nach zehn Jahren kam er nach Hamburg zurück, direkt in unsere Nachbarschaft, zur Stadtmission (heute Hoffnungsorte Hamburg), und dort beschäftigt er sich mit ganz ähnlichen Herausforderungen wie wir: mit Obdachlosen und Wanderarbeitern aus den EU-Ländern.

Die neue Herausforderung für uns alle definiert er so: „Die immer neu entstehenden Abbruchkanten in Europa sozial abzufedern und für die Menschen da zu sein.“ Er möchte dazu beitragen, dass die Hamburger die nötige Offenheit für die Zuwanderer haben. Und es gehört einfach zu ihm, dass er da ganz optimistisch ist: „Geben macht glücklich“, sagt er. „Wenn ein Mensch normal ausgestattet ist, dann ist er auch empathisch.“

Kapitänin in rauer See: Annegrethe Stoltenberg

In unseren Anfangsjahren waren wir naiv, etwas großspurig – und so etwas wie der verwöhnte Nachzügler in der großen Familie der Diakonie.
Als Annegrethe Stoltenberg 2000 unsere Herausgeberin wurde, sagte sie freundlich, aber bestimmt: „Ihr werdet nicht mein Lieblingsbaby sein, in der Diakonie gibt es schließlich viele ‚Kinder‘, um die ich mich kümmern muss.“

Mit Obdachlosigkeit hatte sie vorher nichts zu tun, allerdings mit den Themen Armut und Bildungsungerechtigkeit, „Themen, die mich immer sehr aktiviert und bewegt haben“, sagt die 63-Jährige. „Schon auf Bundesebene habe ich registriert, was Dr. Reimers für eine Bewusstseinsveränderung durch seine Projekte erreicht hat.“ Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass sich soziale Probleme in ein paar Jahren erledigen würden. „Für die Lösung sozialer Probleme braucht man einen langen Atem. Soziale Arbeit braucht Dauerläufer“, ist ihre Erfahrung.

Auch unsere Anfangseuphorie war inzwischen ein bisschen gedämpft. Wir hatten verstanden, dass Obdachlosigkeit mehr bedeutet, als kein Dach über dem Kopf zu haben: Den Menschen machten alte Traumata, Krankheit, eine Suchterkrankung oder Einsamkeit zu schaffen. Einen Menschen „mal eben“ in eine Wohnung zu vermitteln, genügte nicht. Der Weg zurück in die Gesellschaft war von Rückschlägen gepflastert.

Politisch wurde der Wind rauer. Bei der Bürgerschaftswahl 2001 gewann Ronald Barnabas Schill auf Anhieb 19 Prozent der Wählerstimmen und verhalf damit der CDU mit Ole von Beust ins Rathaus. Schon im Vorfeld spürte man: Obdachlose oder Junkies sollten vertrieben werden, die Stimmung kippte. Es gab sogar Brandanschläge auf Obdachlose in der City. Später dann reformierten Bundeskanzler Schröder und seine rot-grüne Regierung das Sozialsystem. Hartz IV und Ein-Euro-Jobs wurden eingeführt. Auch wir positionierten uns immer politischer, mit der Rückendeckung unserer neuen Herausgeberin und dem Diakonischen Werk. Eine unglaubliche Fähigkeit unserer Herausgeberin: Während die Diakonie langfristige Gremienpolitik macht und auf höchster Ebene verhandelt, ließ sie uns freie Hand. Wir sind das kleine Projekt geblieben, das schnell und mit eigenen Aktionen reagieren kann. Als solches brauchen wir oft Hilfe von außen. Annegrethe Stoltenberg baute deshalb einen Beirat aus externen Experten auf, der uns seitdem unterstützt. Besonders einschneidend war für sie, dass immer mehr junge Menschen obdachlos wurden. Da merkt man eben doch ihren Hintergrund: Schließlich war sie vor ihrem Theologiestudium Lehrerin.

Je länger sie unsere Herausgeberin war, desto mehr schätzten wir ihre herzliche, klare Art. Ende des Jahres geht sie in den Ruhestand. Und jetzt, am Ende unserer gemeinsamen Zeit, machte sie uns eine echte Liebeserklärung: „Hinz&Kunzt ist ein Lieblingsprojekt, das ist keine Frage, das Projekt und die Menschen sind so sympathisch, bezaubernd, überzeugend und kompetent – da kann man gar nicht anders, als begeistert zu sein.“ Zum Glück neigen wir nicht mehr so zum Größenwahn wie in den Anfangsjahren – und zum Glück haben wir ihr schon lange gesagt, wie sehr wir sie mögen und dass uns der Abschied wahnsinnig schwerfällt …

Blick in die Zukunft: Dirk Ahrens

DIRK AHRENS war Gemeindepastor und ist seit 2009 Chef des Diakonischen Hilfswerks. Im Januar 2014 wird er Diakoniechef und unser Herausgeber.
Dirk Ahrens war Gemeindepastor und ist seit 2009 Chef des Diakonischen Hilfswerks. Im Januar 2014 wird er Diakoniechef und unser Herausgeber.

Wie es wohl weitergeht? Wir stecken voller Pläne: Wir arbeiten an einem eigenen Haus, in dem das Projekt unten einzieht und oben Hinz&Künztler. Wir müssen uns der Herausforderung stellen, immer neue Menschen aufzunehmen. Nach dem Motto: Wir sind Europa. Und wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen.

Der Mann, der uns auf diesem Weg begleiten wird, heißt Dirk Ahrens. Der 50-Jährige ist ab 1. Januar der neue Landespastor, Diakoniechef – und unser Herausgeber. Seit 2009 ist er Vorstandsmitglied der Diakonie Hamburg und Chef des Diakonie-Hilfswerkes. Als solcher war er schon für Projekte der Wohnungslosenhilfe wie dem Diakoniezentrum und der Tagesaufenthaltsstätte verantwortlich. Wer er ist und was ihn bewegt, das lesen Sie in unserer Januarausgabe.

Hilfe von den Patrioten

Die sozialpolitische Lobby in Hamburg braucht eine LAUTSTARKE STIMME – eben Hinz&Kunzt, findet Mitgesellschafter Johannes Jörn von den Patrioten.
Die sozialpolitische Lobby in Hamburg braucht eine lautstarke Stimme – eben Hinz&Kunzt, findet Mitgesellschafter Johannes Jörn von den Patrioten.

Neulich, da wollten wir in einem großen Rahmen eine Tagung veranstalten für alle, die mit Wanderarbeitern aus der EU zu tun haben. Denn auch wir, die Wohnungslosenhilfe und die Migrantenhilfe stehen mit den Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien vor neuen Herausforderungen. Und wieder einmal war es die Patriotische Gesellschaft, die uns kostenlos in ihrem altehrwürdigen Gebäude beherbergt hat. Ja, wir haben viel Rückendeckung, von der Diakonie, der wir ja formalrechtlich zu 66,6 Prozent gehören, und von der Patriotischen Gesellschaft von 1765, die 33,3 Prozent an unserer gemeinnützigen GmbH hält.

Wir finden das eine tolle Mischung: Die Diakonie als Hüterin der Moral und Ethik – und die Patrioten als eine der ältesten zivilgesellschaftlichen Organisationen Europas. Uns gefällt besonders, dass sie sich immer wieder in gesellschaftliche Diskussionen eingebracht und immer wieder ein friedliches Zusammenleben in einer Stadt voller Gegensätze angemahnt hat. Das erste Armenhaus, in dem es auch Bildungsangebote für die Menschen gab, geht auf die Patrioten zurück, auch die Gründung der ersten Sparkasse für alle in Europa. Im Konflikt um die Hafenstraße haben sie wesentlich dazu beigetragen, dass es eine friedliche Lösung gab.

Und warum haben sich die Patrioten für uns entschieden? „Um der sozialpolitischen Lobby in Hamburg eine lautstarke Stimme zu geben“, sagt Johannes Jörn, der für die Patrioten zusammen mit Gabi Brasch (Diakonie; siehe Foto) in der Gesellschafterversammlung sitzt. Für die Zukunft wünscht er sich, „gemeinsam mit und für Hinz&Kunzt kreative Lösungen zu finden, zum Beispiel lebenswerte Wohn- und Bauprojekte“.

Text: Birgit Müller
Fotos: Mauricio Bustamante, Dmitrij Leltschuk (1)