Gegen den Mietenwahnsinn : Topf schnappen, draufschlagen

Spiel mir das Lied vom Topf: Als Protest gegen Wuchermieten und Leerstand erklingt am 27. Oktober eine „Mietenwahnsinnssymphonie“ in ganz Hamburg. Mitmachen ist einfach: Man braucht bloß scheppernde Pötte und zehn Minuten Zeit.

Am 27. Oktober nicht auf den Herd stellen, sondern draufschlagen! Bild: Rainer Sturm/pixelio.de
Am 27. Oktober nicht auf den Herd stellen, sondern draufschlagen! Bild: Rainer Sturm/pixelio.de

Da steht er, auf der Spüle neben dem Herd, rund und robust. Einsatzbereit für die nächste Portion Nudeln, deftige Kartoffelsuppe – oder für eine Zweckentfremdung als Schlaginstrument. „Der perfekte Topf für unsere Aktion“, findet jedenfalls Michael Martin und nippt in seiner WG-Küche auf St. Pauli an einer Tasse Tee. Wo er am 27. Oktober um 19 Uhr für 10 Minuten auf diesen Topf draufschlagen und ordentlich Lärm machen wird, weiß er noch nicht. „Vielleicht direkt vor der Haustür, vielleicht auch in einem anderen Stadtteil. Hauptsache, es beteiligen sich viele Leute und verwandeln die Stadt in einen Klangteppich.“

Ganz Hamburg als Krachmacherstraße – Michael kann es kaum erwarten. Die Idee zur „Mietenwahnsinnssymphonie“ als Protest gegen die aktuelle Wohnsituation kam dem 42-Jährigen gemeinsam mit fünf Freunden bei einem Kneipenabend. Die Gruppe überlegte, wie sie die Großdemonstration „Mietenwahnsinn stoppen – Wohnraum vergesellschaften!“ des Netzwerkes Recht auf Stadt am 29. Oktober unterstützen könnte. „Die Mieten in Hamburg sind in den vergangenen 5 Jahren im Schnitt um 20 Prozent gestiegen“, erklärt Michael. „Viele von uns sind selbst von steigenden Mieten bedroht.“ Er und seine Freunde beklagen den Rückgang von Sozialwohnungen und ärgern sich über leerstehende Bürogebäude – doch es geht ihnen nicht bloß um Kritik an der Politik, sondern um einen Wandel innerhalb der Gesellschaft: „Für uns ist Wohnungsnot keine Frage von Mauern und Steinen“, betont Michael. „Wir wollen, dass Wohnungen nicht als Ware, sondern zum Beispiel in Form von Genossenschaften als ein gesellschaftliches Gut angesehen werden, auf das jeder ein Recht hat.“

Deshalb suchte die Gruppe nach einer Protestform, an der sich jeder beteiligen kann – selbst diejenigen, die nicht gerne zu Demonstrationen gehen, weil sie zum Beispiel kleine Kinder haben oder Menschenmassen fürchten. „Wir wollten eine Alternative anbieten, für die man nicht unbedingt das Haus verlassen muss“, erzählt Michael. Schnell kam die Gruppe dann aufs Topfschlagen – eine Protestform, die zurzeit weltweit immer neue Anhänger findet. Ursprünglich stammt sie aus Chile und ist dort als „Cacerolazo“ (cacerola = spanisch für Topf) bekannt. Mit dem Schlagen auf leere Töpfe und Pfannen machten wütende Chilenen erstmals in den 70er Jahren auf Hunger und Armut aufmerksam. Während des Wirtschaftskollapses von Argentinien 2001 wurde der „Cacerolazo“ auch dort übernommen, in Uruguay und Venezuela gab es ebenfalls bald Nachahmer. Auch in Europa scheppert und kracht es jetzt häufiger, unter anderem in Island oder bei Studenten in Spanien, die so für ein besseres Bildungssystem kämpfen.

„Jedes Kind schlägt instinktiv mit Besteck auf Tellern und Töpfen rum, wenn es Hunger hat oder unzufrieden ist“, glaubt Michael. Gerade deswegen fasziniert ihn diese Art des Protests: „Einfach und ursprünglich und trotzdem nicht zu überhören.“ Damit das auch für den 27. Oktober gilt, verteilen Michael und seine Helfer an diesem Tag Mikrofone in der Stadt, die den Lärm einfangen und live übers Radio wieder zurück ins Wohnzimmer tragen. „So kann jeder individuell für sich rumscheppern und gleichzeitig am großen Ganzen teilhaben“, erklärt Michael. Er hofft, dass sich nicht nur Leute „aus den üblichen Ecken wie St. Pauli oder der Schanze“ beteiligen, sondern auch Bewohner aus anderen Stadtteilen. Dafür setzt er auf Werbung übers Internet, verteilt Flyer, „oder wir ziehen schon mal einen Tag lang Töpfe schlagend durch Neuwiedenthal und machen so auf uns aufmerksam.“ Malte lacht.

Ob sich der gewünschte Krach am 27. Oktober dann tatsächlich zu einem richtigen Klangteppich zusammenfügen lässt – auch ohne Noten lesen und Taktgefühl? Den passenden Titel für die Symphonie gibt es immerhin schon: „Die Stadt gehört allen!“

Text: Maren Albertsen

Topfschlagen gegen hohe Mieten und Wohnungsnot:
Mietenwahnsinnssymphonie, 27. Oktober, 19 Uhr für ca. 10 Minuten in ganz Hamburg, Begleitende Radiosendung von 18.30-20 Uhr auf FSK 93,0 Mhz, Kabel 101,4 Mhz, Internetstream unter www.fsk-hh.de, Mehr Infos unter www.facebook.de/mietenwahnsinnssymphonie und http://topfschlagen.wordpress.com

Demonstration „Mietenwahnsinn stoppen – Wohnraum vergesellschaften!“: 29. Oktober, 13 Uhr, Treffpunkt Millerntorplatz (U-Bahn St. Pauli)