St. Pauli :
Streit um Zaun gegen Obdachlose

In der Wohlwillstraße auf St. Pauli hält dieser Zaun Obdachlose von ihrem bisherigen Schlafplatz fern. Foto: JOF

In der Wohlwillstraße auf St. Pauli hält ein Zaun Obdachlose vom Gelände eines Gymnasiums fern. Der verantwortliche Schulleiter spricht von einem Dilemma – und fühlt sich alleingelassen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Anwohnerin Isabelle Koppelkamp ist fassungslos. Vor zwei Tagen hätten Bauarbeiter damit begonnen einen Zaun um einen Vorsprung in der Wohlwillstraße zu bauen, unter dem sich regelmäßig Obdachlose aufgehalten haben. „Das ist unfassbar.“ Schließlich handele es sich bei dem Stück Gehweg um eine der wenigen überdachten Flächen auf St. Pauli.

Am Freitagvormittag trennt der fertige Zaun den Gehweg vom bisherigen Schlafplatz der Obdachlosen. Dieser liegt auf dem Gelände des dortigen Struensee Gymnasiums. Schulleiter Frank Berend schildert die Situation im Gespräch mit Hinz&Kunzt aus seiner Sicht: Seit er 2020 mit seiner Schule die Räumlichkeiten der ehemaligen Handelsschule bezogen hat, hätte er mit den Obdachlosen zu tun gehabt – sich aber dafür entschieden diese zu tolerieren.

„Der Zaun ist eine Entscheidung, die ich nicht gerne treffe.“

Zuletzt habe sich die Lage allerdings zugespitzt, insbesondere weil auf dem entsprechenden Platz offen Drogen konsumiert worden seien. In einem Fall sei es auch zu einem körperlichen Angriff auf den Schulhausmeister gekommen. Der Schulleiter sieht sich vor einem Dilemma: „Der Zaun ist eine Entscheidung, die ich nicht gerne treffe.“ Im Sinne seiner Schüler:innen und Mitarbeiter:innen habe er sich aber nicht mehr anders zu helfen gewusst.

Von der Politik fühlt sich der Pädagoge derweil alleingelassen. Während Obdachlosigkeit und offener Drogenkonsum auf ganz St. Pauli zunehmen würde, fehle es an Anlaufstellen und Hilfsangeboten für die Betroffenen. „Würde die Politik da mehr Mittel bereitstellen, käme ich nicht in die Situation, die obdachlosen Menschen wieder einmal weiterschicken zu müssen“, sagt Berend: „Wie viele andere verzweifle auch ich daran, dass es in einer so reichen Gesellschaft so viel Obdachlosigkeit gibt.“ Trotz des Zauns zeigt sich der Schulleiter gesprächsbereit: „Als Schule wären wir sofort mit dabei, gemeinsam mit der Nachbarschaft Obdachlosen zu helfen.“

„Obdachlose zu verteiben – das geht nicht“

„Ein Zaun kann nie eine Lösung sein und ist ein schlimmes Signal. Obdachlose zu vertreiben – das geht nicht“, sagt Hinz&Kunzt Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. In dem Zaun sieht er allerdings auch einen Hilferuf. „In allen Stadtteilen nimmt die Verelendung der Menschen auf den Straßen zu. Das führt immer öfter zu Konflikten mit Anwohner:innen. Und das ist kein Wunder.“ Karrenbauer sieht die politisch Verantwortlichen in der Pflicht, sich der prekären Lage auf Hamburgs Straßen anzunehmen. Dafür müssten alle Beteiligten an den Tisch. Außerdem müsse die Stadt dezentrale Unterkünfte schaffen, die so ausgestaltet sind, dass die Menschen diese auch annehmen.“

Der Zaun wird wohl auch in Zukunft stehen bleiben. Die Schule plant, Fahrradständer auf der Fläche anzubringen. Wie es für die obdachlosen Menschen, die auf dem Platz schliefen weitergeht, ist währenddessen unklar. Vor Ort war am Freitag keiner von ihnen anzutreffen.

Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Studium der Politikwissenschaft in Hamburg und Leipzig. Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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