Die Wulffsche Siedlung in Langenhorn wird abgerissen und neu gebaut. Der Senat hat das Bebauungsverfahren an sich gezogen. Er ignoriert damit einen Bürgerentscheid, der die Siedlung erhalten will. Doch manche Mieter sind auch zufrieden mit der Entscheidung.
Der Senat hat den Bebauungsplan für die Wulffsche Siedlung in Langenhorn evoziert, das heißt an sich gezogen. Das hat die Senatkommission für Stadtentwicklung und Wohnen am Donnerstag beschlossen. Die Siedlung soll nun innerhalb von zehn bis 15 Jahren abgerissen und neu gebaut werden.
Damit wird ein Bürgerentscheid aus dem Oktober 2011 ausgehebelt: Damals sprachen sich 67,8 Prozent der teilnehmenden Bürger für den Erhalt der in den 40er und 50er Jahren erbauten Gartensiedlung aus. Sie fürchten Kündigungen, Mieterhöhungen und eine völlige Veränderung ihrer Siedlung, etwa durch mehrgeschossige Bauten. Bisher gibt es dort 550 Wohnungen in schlichten, zweistöckigen Wohnblocks, umgeben von Grünflächen. Doch die Bausubstanz ist angegriffen.
Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau betonte, man habe bei der Entscheidung „die Argumente und Interessen sorgfältig abgewogen“. 150 zusätzliche Wohnungen sollen entstehen, „die Hamburg dringend braucht.“ Es sei eine „Entscheidung für mehr Lebensqualität der jetzigen Mieter.“
Mieterverein und Oppostion üben Kritik – Mieterbeirat zeigt sich zufrieden
Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern kritisiert den Senat: „Die Begründung des Senats, dass durch die Neubauten bezahlbarer Wohnraum entsteht und die 49 Quadratmeter großen Wohnungen nicht den Bedürfnissen der Mieter entsprechen, ist schlicht falsch.“ Der Instandhaltungsgrad der angeblich so baufälligen Wohnungen sei gut, teilweise seien sie gerade erst modernisiert worden. „In den Beratungen von Mieter helfen Mietern-Mitgliedern aus der Siedlung ging es nicht ein einziges Mal um Mängel.“
Auch die Opposition kritisiert den Senat scharf. Dies sei eine „arrogante und rotzige Entscheidung“, so der GAL-Abgeordnete Jan Kerstan. „Bei diesem Vorgehen muss man sich fragen, was der Bürgerwille in Hamburg überhaupt noch wert ist.“ Die Partei fordert in einer Kleinen Anfrage nun eine Begründung vom Senat. Heike Sudmann, Abgeordnete der Linken, bezeichnet die Entscheidung als „Sargnagel für die demokratische Bürgerbeteiligung.“
„Sehr zufrieden“ ist hingegen Martina Schenkewitz, Mitglied im sechsköpfigen Mieterbeirat und für den Neubau: „Ein altes Auto kann man auch nur bedingt reparieren. Wir können in unserer Siedlung bleiben und bekommen alles neu. Das ist doch toll.“
Die Bürgerinitiative war am Freitag nicht zu einer Stellungnahme zu errreichen. Ihre Sorge, dass sie nun durch neue zahlungskräftigere Mieter verdrängt werden, dürfte nach dieser Entscheidung neue Nahrung erhalten.
Text: SIM