Clown Peter Shub : „Scheitern ist verpönt“

Peter Shub ist ein Clown von Welt: Der Amerikaner war mit dem Zirkus Roncalli unterwegs und arbeitete mit dem Cirque du Soleil zusammen. Wir sprachen mit ihm darüber, wie das Lachen Menschen zusammenbringt. Noch bis zum 6. März tritt er in der Dinnershow Palazzo auf. 

(aus Hinz&Kunzt 275/Januar 2016)

Eigentlich ist PETER SHUB Soziologe. Doch seit mehr als 30 Jahren arbeitet der 58-Jährige erfolgreich als Clown. (Foto: Dmitrij Leltschuk)
Eigentlich ist PETER SHUB Soziologe. Doch seit mehr als 30 Jahren arbeitet der 58-Jährige erfolgreich als Clown. (Foto: Dmitrij Leltschuk)


Hinz&Kunzt: Die meisten Lacher kriegt ein Clown, wenn irgendwas schiefläuft. Ist Scheitern ein offensichtliches Erfolgsrezept?

PETER SHUB: Scheitern ist witzig. Wir sehen einfach gerne anderen dabei zu, wenn sie Schwierigkeiten haben. Ein Clown stolpert, fällt hin – das ist auf der ganzen Welt lustig. Allerdings nur, solange er auch wieder aufsteht.

Warum lachen die Leute denn so gerne über Pechvögel und Tollpatsche?
Interessant, oder? In unserer Gesellschaft ist das Scheitern ja verpönt. Keiner will als Versager dastehen. Immer sagt man uns: Nicht scheitern! Erfolg! Alles dreht sich im alltäglichen Leben um Erfolg. Vielleicht gehen die Leute deshalb in den Zirkus oder ins Palazzo. Wir haben hier sehr erfolgreiche Manager im Publikum, gestandene Geschäftsleute, die viel geschafft haben. Sie bezahlen Geld, um Leuten wie mir beim Scheitern zuzusehen. Nicht um Mitleid mit mir zu haben, sondern um darüber zu lachen.

Finden Sie das nicht fies, wenn das Publikum Sie ständig auslacht?
Dann hätte ich kein Clown werden dürfen. Die Leute lachen eben am meisten, wenn wir uns zum Affen machen. Das sind die Momente, in denen wir besonders verletzlich sind. Verletzlichkeit ist aber eine wichtige Eigenschaft, der wir uns alle stellen müssen. Niemand kann immer stark sein.

Wieso glauben Sie, dass es Menschen stärker macht, wenn sie mit Witz durchs Leben gehen?
Humor hilft uns dabei, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. Statt ständig über Frust zu reden, sollten wir versuchen, den Momenten in unserem Alltag immer wieder etwas Witziges abzugewinnen. Humor kann auch ein gutes Hilfsmittel sein, beim Geschäftemachen zum Beispiel.

Das müssen Sie jetzt genauer erklären …
Als ich noch in Philadelphia in den USA gelebt habe, kam eine Gruppe von Obdachlosen auf mich zu, die wollten Straßenkunst anbieten. Sie hatten keine Zeitung, die sie verkaufen konnten, also haben sie einfach den Hut hingehalten. Im Grunde waren sie auch Geschäftsleute. Sobald du Menschen um Geld  bittest, bist du im Business. Das heißt aber: Du musst etwas anbieten. Ich habe ihnen dann geholfen, ihre witzige Seite zu entdecken und auf der Straße einzusetzen.

Zurzeit werden wir jeden Tag mit Krisen, Krieg und Gewalt konfrontiert. Wie schaffen Sie es, die Menschen trotzdem noch zum Lachen zu bringen?
Ich will nicht sagen, dass wir Komiker von dieser Stimmung profitieren – aber eigentlich ist es so. Denn wenn die Leute ständig gut drauf sind, dann gibt es wenig, was wir noch für sie tun können. In Krisenzeiten sind Comedybühnen oder Shows wie das Palazzo ein guter Ort, um dem Alltag mit all den schlimmen Nachrichten zu entfliehen und zu feiern. Wir dürfen Terror und Tragödien nicht gewinnen lassen. Natürlich müssen wir ernst nehmen, dass es das alles gibt. Aber wir sollten trotzdem nicht aufhören, das Leben zu genießen.

Haben Sie selbst schon Schicksalsschläge erlebt, bei denen Sie mit Humor nicht mehr weitergekommen sind?
Ich habe meinen Sohn verloren. Das war am 19. Juni 2001 in Hannover. Er war damals vier Jahre alt. Wir waren in einem Restaurant, er hatte seine Pizza aufgegessen und stand vom Tisch auf. Ein paar Meter entfernt stand eine Skulptur, die nicht gesichert war – was erstaunlich ist in Deutschland. Als er sie angefasst hat, ist die Skulptur umgefallen und hat ihn erschlagen. Danach habe ich lange nicht gelacht, und ich wollte auch für eine Weile keine Leute zum Lachen bringen. Aber was heißt eine Weile? Eine Woche später habe ich eine Show gemacht. Es ging, trotz allem. Wer mich selbst zum Lachen gebracht hat, war meine Frau. Es ist schwer zu erklären, wie schmerzhaft das für uns war, unser Kind zu verlieren. Aber manchmal haben wir es doch geschafft, zusammen zu lachen. Das war unheimlich wichtig. Du musst der Tragödie in die Augen sehen und sagen: Sorry, aber ich werde nicht für immer leiden. Manchmal werde ich auch wieder Freude am Leben haben.

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Können andere Menschen dabei helfen – Freunde, Verwandte, vielleicht sogar Fremde?
Schmerz können wir nicht wirklich teilen. Unser Lachen aber können wir teilen. Humor zündet Feuerwerke, er bringt Menschen zusammen. Das ist das Schöne an Comedyshows: diese Momente, in denen fremde Menschen gemeinsam lachen. Obwohl die Leute im Publikum sich nicht kennen, kommen sie aus sich heraus und verlieren gemeinsam die Kontrolle. Das Lachen vereint sie zu einer Gruppe – ein einmaliges Gefühl.

Ins Palazzo kommen die Leute ja nicht nur, um die Show zu sehen, sondern auch zum Essen. Wie ist das für Sie als Künstler?
Natürlich gibt es ein bisschen Konkurrenz zwischen der Show und dem Essen. Da muss das Publikum dann entscheiden, was besser ist. Im Idealfall sind wir gleichauf. Vielleicht ist es auch okay, wenn die Show sogar noch ein bisschen besser ankommt als das Essen. Aber verraten Sie das bloß nicht dem Koch!

Text: Annabel Trautwein
Foto: Dmitrij Leltschuk

Palazzo mit Peter Shub noch bis zum 6. März im Spiegelpalast Deichtorstraße (vor den Deichtorhallen), Tickets ab 59 Euro.

 

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