Rufus und Jonathan Beck : Vater und Sohn spielen Vater und Sohn

Rufus Beck stand mit seinem Sohn Jonathan schon vor der Kamera, als der gerade ein Jahr alt war – daran kann sich der 23-Jährige naturgemäß nicht so recht erinnern. Auf der Theaterbühne der Hamburger Kammerspiele gibt es nun eine Neuauflage des ­Vater-Sohn-Gespanns. Am Sonntag feiert „Zorn“ Premiere.

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Können gut zusammen: Jonathan Beck und Vater Rufus.

„Willst du nicht lieber was Vernünftiges machen?“, hat Rufus Beck vor ein paar Jahren seinen Sohn Jonathan gefragt. Doch das wollte er nicht, und so ist aus dem heute 23-Jährigen ein Schauspieler geworden – ganz der Vater. „Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen.“ Dass Vater und Sohn nun gemeinsam auf der Bühne der Kammerspiele stehen, findet Jonathan ziemlich gut. „Das ist großartig! Weil man nach so langer Zeit alle Ticks und Marotten des anderen kennt. Wir wissen einfach, wie wir miteinander können.“

In „Zorn“ („Fury“) spielt er den ­Jugendlichen Joe, der mit Sprühdosen ein islamfeindliches Statement an einer Moschee hinterlässt. Ein Schock für seine Eltern, den Romanautor Patrick (Rufus Beck) und die Neurowissenschaftlerin Alice (Jacqueline Macaulay). „Es geht in dem Stück darum, dass ein Kind offen aus dem Ruder läuft, und es ist nicht klar, warum. Die Eltern glauben, sie haben alles richtig gemacht“, erklärt Rufus Beck.

Das Gefühl, dass etwas schiefläuft zwischen Eltern und Kindern, kennt er  selbst: „Jeder, der Kinder hat, fragt sich: ‚Mein Gott, wissen wir immer so genau, was die tun?‘“ Für eine gute Erziehung müsse man sich nur in seine eigene Kindheit versetzen und sich fragen: „Was hat mich als Kind gekränkt, was hätte ich mir gewünscht?“ Gelingt einem das, dann, so ist sich Rufus Beck sicher, wird man weniger Fehler machen.

Nicht zum ersten Mal spielen Rufus und Jonathan Beck Vater und Sohn. In dem Film „Wenn du mich fragst, Papa“ war Jonathan erst ein Jahr alt. Damals sei für die Rolle ein Mann mit Kind gebraucht worden, erzählt Rufus Beck: „Da hab ich ihn einfach mitgenommen.“ Das hat er oft gemacht, „so wie Zirkuskinder auch immer dabei sind“. Naturgemäß kann Jonathan sich nicht daran erinnern. „Da bin ich wohl nur Requisite gewesen.“ Für „Fury“ wurde wieder ein Vater mit Kind gesucht – diesmal ein Jugendlicher. Jonathan hatte Interesse, Rufus arrangierte ein Treffen mit dem Regisseur – und der war schnell überzeugt.

Wie nun sein Sohn begann auch Rufus Beck seine Theaterkarriere mit Anfang 20. Mit 22 Jahren startet er auf der Städtischen Bühne seiner Geburtsstadt Heidelberg. Zehn Jahre später kürt ihn die Fachzeitschrift „Theater heute“ zum besten Nachwuchsschauspieler. Seitdem arbeitete er auf den größten Bühnen Deutschlands, war aber auch in Moskau, Irkutsk und in Alma-Ata zu sehen. Sein Kinodebüt hat er 1991 in Sönke Wortmanns trubeliger Komödie „Kleine Haie“, in der er einen jungen Mann spielt, der unbedingt Schauspieler werden will.

Richtig bekannt wird Rufus Beck schließlich durch die Rolle der „Waltraut“ in „Der bewegte Mann“ an der Seite von Til Schweiger, Joachim Król und Armin Rohde. Von da an ist er nicht nur ein gefragter Film- und Fernsehschauspieler. Er ist viel als Hörbuchproduzent und -sprecher tätig. Alle Harry-Potter-Romane hat er vertont, alle Charaktere selbst entwickelt und jedem einzelnen, von Harry Potter über den Wildhüter Hagrid bis hin zum abgrundtief bösen Lord Voldemort, eine, nämlich seine Stimme gegeben. Außerdem hat er bei Peter Maffays Tabaluga-Musical mitgewirkt und war in Fernsehserien wie „Soko 5113“ oder „Der Dicke“ zu sehen.

Vater Rufus spricht von einer Art Dynastie, weil alle seine Kinder seinen Beruf ergriffen haben. Gedrängt habe sie keiner. Fast im Gegenteil. Denn Schauspieler zu sein bedeute, keine Sicherheit zu haben. „Natürlich ist alles unsicher, aber trotzdem kann man damit zurechtkommen, wenn man Urvertrauen hat“, sagt Jonathan. Rufus Beck dagegen bedauert, dass er selbst noch immer mit der Unsicherheit zu kämpfen hat. „Ich bin nicht so cool wie unsere Kids. Vielleicht haben wir, meine Frau und ich, denen das mitgegeben.“

Der Beck’sche Clan ist ständig unterwegs, denn auch Rufus’ 21-jährige Tochter Sarah arbeitet als Schauspielerin; die 32-jährige Stieftocher Natalie Spinell ist als Schauspielerin, Regisseurin und Hörbuchsprecherin tätig. Nomaden seien sie, finden die Becks. Und trotzdem trägt die Familie. „Wir machen extrem viel miteinander. Wir leben uns halt nicht auseinander, weil wir uns immer wieder sehen und wir alle unsere Basis in München haben“, erklärt Jonathan.

Gemeinsam Dinge zu entdecken, mit Kindern etwas zu machen, wovon beide etwas haben, das könne er anderen Eltern nur empfehlen, sagt Rufus Beck.  Bei den Beck-Männern ist es der Sport: Tennis, Fußball, Schwimmen, Mountainbiken, zählt Jonathan Beck auf. „Gefühlt kommt jedes Jahr mindestens eine neue Sportart hinzu. Wir lieben das Neue und die Herausforderung!“

Das gilt auch für die Arbeit. Und so genießen sie ihre Probezeit, freuen sich auf die Tage, wo sie jeden Abend zusammen auf der Bühne stehen werden, gut zwei Monate lang. Und das in Hamburg, einer neuen Stadt, mit neuen Leuten, die sie gerade kennenlernen. Klar sei das Arbeit und nicht das pure Vergnügen. Alle haben schon mal miteinander gearbeitet, sagt Jonathan. „Wirklich alle!“ Und während er das sagt, scheint ihm erst richtig klar zu werden, dass das eher ungewöhnlich ist.

Jonathan war schon mal ein halbes Jahr der Regieassistent seines Vaters. „Das musst du auch erst mal können“, sagt Rufus, die Augenbrauen hoch-, die Mundwinkel heruntergezogen. Aber weil sie sind, wie sie sind, können sie gut zusammenarbeiten. Jonathan und Rufus eint, dass sie den anderen so mögen, wie er ist und ihn auch so lassen. Der Sohn mag an seinem Vater, dass er großzügig, impulsiv und stur ist. Und der Vater schaut ein wenig auf zu seinem Sohn. „Er hat viele gute Eigenschaften, die ich so in diesem Maße nicht habe.“ Zum Beispiel? „Jonathan ist respektvoll, tolerant, kann sich zurücknehmen und beobachten“, findet der, der es am besten wissen muss.

Damit ist auch alles gesagt. „Komm, Jojo, wir gehen essen“, sagt Rufus. Er zieht seine Jacke an, legt seinen Micky-Maus-Comic-Schal an, und die beiden verlassen den Probenraum. Draußen warten ihre Motorräder. Dann sieht man die beiden nur noch von hinten.

Zorn: Premiere am Sonntag, 7. September, 19 Uhr, Hamburger Kammerspiele, Hartungstr. 9–11, 21–41 Euro. Weitere Vorstellungen bis 9. Oktober.

Text: Maike Plaggenborg
Foto: Daniel Cramer