Flüchtlinge : Ohne Geld keine Perspektive

Christopher Hein hat Verständnis für die Flüchtlinge, die aus Italien zu uns kommen. Der Direktor des italienischen Flüchtlingsrates stammt aus Lüneburg.

(aus Hinz&Kunzt 253/März 2014)

Viel Aufregung gibt es um die Lampedusa-Flüchtlinge. Christopher Hein bleibt gelassen – und schlägt verschiedene Hilfsangebote vor.
Viel Aufregung gibt es um die Lampedusa-Flüchtlinge. Christopher Hein bleibt gelassen – und schlägt verschiedene Hilfsangebote vor.

Der Senat soll den rund 300 sogenannten Lampedusa-Flüchtlingen helfen, statt sie vertreiben zu wollen. Der das sagt, heißt Christopher Hein. Der Lüneburger ist Direktor des von ihm gegründeten italienischen Flüchtlingsrates. Seine Organisation berät sogar den Vatikan in Flüchtlingsfragen. Als Hilfsmaßnahmen schlägt er vor: finanzielle und berufliche Hilfe bei einer Rückkehr ins Heimatland. Die Rückkehr müsse allerdings freiwillig sein, betont Hein bei einem Hamburg-Besuch. Oder die Stadt sollte Hilfe bei einer Rückkehr nach Italien anbieten: Sprachkurse, Unterkunft für ein Jahr, Eingliederungshilfe. Die Menschen, die in Hamburg bleiben wollen, sollten seiner Meinung nach hier eine Arbeitserlaubnis bekommen. Wichtig sei, dass es bei „einer so überschaubaren Gruppe“ eine individuelle Hilfestellung gebe. „Ja, das kostet Geld“, sagt Christopher Hein. „Aber es kostet auch Geld, die Menschen ohne Perspektive in der Stadt zu haben, das ist Geld, das unproduktiv ausgegeben wird.“ Für gezielte Programme gebe es auch Geld von der EU, sagt er.

Dafür, dass die Flüchtlinge nach Hamburg weiterreisen, hat er großes Verständnis. „Es reicht auf Dauer nicht, sicher aus dem Verfolgerland geflohen zu sein, man muss auch leben.“ Genau das sei in Italien schwierig geworden. „Es ist paradox, in Italien haben die Flüchtlinge einen legalen Aufenthaltsstatus, der das Recht auf Arbeit einschließt“, so Hein. „Und nicht nur das: Sie haben ähnliche Rechte wie ein italienischer Bürger. Aber welche Rechte hat ein italienischer Bürger? Es gibt keine Sozialhilfe und keine allgemeine Arbeitslosenhilfe – und es gibt jahrelange Wartezeiten auf eine Sozialwohnung.“ Hinzu komme die Krise auf dem Arbeitsmarkt. Jobs, die bislang ausschließlich von Flüchtlingen und Zuwanderern gemacht wurden, würden jetzt wieder Italiener erledigen. Die Flüchtlinge werden also arbeitslos oder müssen zu Dumpinglöhnen arbeiten. „Eine Arbeitsgenehmigung nützt ihnen also nichts“, so Hein. „Davon wird man schließlich nicht satt.“

Und in den Megazentren, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind, würden sie regelrechte „Horrorerfahrungen“ machen. „Es gibt dort Gewalt, Schwarzhandel aller Art und Prostitution“, so der Flüchtlingsexperte. Eigentlich sollten sie nur 35 Tage dort bleiben. „Aber de facto leben sie dort – isoliert im Nirgendwo – 18 Monate bis zu zwei Jahren.“

Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk