Hinz&Künztler Leonart : „Die Hamburger haben uns sehr viel geholfen“

Leonart, 24, verkauft Hinz&Kunzt vor Famila in Reinbek.

(aus Hinz&Kunzt 276/Februar 2016)

Leonart steckte noch in Kinderschuhen, als er das erste Mal nach Hamburg kam. Tagtäglich tingelte der 13-Jährige mit seinem Vater in der U-Bahn durch die Stadt. Nicht etwa um Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Sondern um auf der Straße und in der Bahn Musik zu machen. Sie seien stets ein, zwei Monate hier geblieben, erinnert sich der junge Rumäne. Bis sie genug Geld beisammen hatten. Dann ging es zurück in den kleinen Ort Bacioiu.

Dort, im östlichsten Teil des Landes, ist die Armut groß. Arbeitsplätze sind rar. Und wenn es mal Jobs auf dem Bau oder in anderen körperlich anstrengenden Bereichen gab, konnte Leonart sie nicht ausüben. Denn als kleines Kind trat ihn ein Pferd beim Spielen gegen den Kopf. Leonart lag im Koma. Er hatte Glück und kam wieder auf die Beine. Doch noch heute spürt er die Folgen: Er bekommt Kopfschmerzen, wenn er sich bückt und schwere Dinge anhebt.

Als Leonart mit 18 Jahren selbst Vater wurde, sah er keine Perspektive mehr in seiner Heimat. Es zog ihn nach Hamburg. Als Straßenmusiker. Es sei zwar schwer gewesen über die Runden zu kommen, erzählt der heute 24-Jährige in gebrochenem Deutsch: „Nie Arbeitsvertrag gehabt. Immer nur Musik gemacht.“ Aber immerhin blieb am Ende des Monats so viel Geld übrig, dass er Frau und Kind nachholen konnte.

Mit der Zeit sammelte Leonart allerdings Strafzettel wie andere Autogramme. Denn in der Bahn ist Musikmachen und Betteln verboten. Noch heute zahlt er Schulden zurück. Der Schuldenberg wäre sicherlich noch größer, wenn Leonart vor vier Jahren keinen Hinz&Kunzt-Verkäuferausweis erhalten hätte. Seitdem hat sich für den jungen Rumänen vieles zum Positiven gewendet. Zu verdanken haben das Leonart und seine Familie vor allem hilfsbereiten Anwohnern aus dem Schanzenviertel. Dort, unter der Brücke am Bahnhof Sternschanze, spielt Leonarts Frau Dorina seit Jahren Akkordeon. Mit den gemeinsamen Einnahmen hielten Leonart und Dorina ihre Familie mehr schlecht als recht über Wasser. Ihre Wohnung war eine Bruchbude in Billstedt. Damit nicht genug: Dorinas Mutter, die in Rumänien lebt, ist herzkrank und auf Hilfe angewiesen. Leonart und Dorina schicken ihr jeden Monat Geld.

Anwohner aus dem Schanzenviertel machten sich Sorgen um die Familie und gründeten ein Initiative. Den Vorstoß dazu machte Stadtteilaktivist Georg Möller. Unter dem Motto „Der Armut in den Arsch treten“ veranstaltete die Initiative im vergangenen Jahr ein Open-Air-Konzert zugunsten von Dorina. Und nicht nur das. Sie besorgten der Familie zudem eine eigene Wohnung in der Stresemannstraße.

„Georg hat viel geholfen“, sagt Leonart, der stolz ist, dass sein Sohn die Schule besucht und Deutsch lernt. „Viel besser als Mama und Papa“, sagt Leonart und lacht. Nicht nur für seinen Sohn, auch für Leonart und Dorina bieten sich in Hamburg bessere Perspektiven als in der Heimat. Er will versuchen ein bisschen Geld beiseitezulegen. Für seinen großen Traum: Eines Tages möchte Leonart gerne nach Rumänien zurückkehren.

Text: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante