Meldungen: Politik und Soziales

(aus Hinz&Kunzt 231/Mai 2012)

Mindestlohn vernichtet keine Jobs
Der Branchen-Mindestlohn für Bauarbeiter (10 Euro in den neuen, 11,05 Euro in den alten Bundesländern) ­vernichtet keine Jobs, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Auch schlechtere Wettbewerbschancen für Unternehmen seien nicht messbar. Wie sich die Zahl sogenannter entsandter Arbeiter aus dem Ausland und Selbstständiger auf Baustellen ­entwickelt hat, konnte „aufgrund der Datenlage“ nicht untersucht werden. UJO

Bald Mindestlohngesetz in Hamburg?
SPD, GAL und Linkspartei haben Initiativen für ein Hamburger Mindestlohngesetz gestartet. Städtische Unternehmen und solche, die öffentliche Aufträge ausführen, sollen zur Zahlung von mindestens 8,50 Euro die Stunde verpflichtet werden. ­Die Linkspartei hält 10 Euro als Untergrenze für nötig. Die SPD forderte mit ihrer Bürgerschaftsmehrheit den Senat auf, bis Jahresende die Auswirkungen eines Mindestlohngesetzes auf den Haushalt zu prüfen. Die GAL warf der Regierungsfraktion vor, das Gesetz auf die lange Bank zu schieben. Vorbild der Initiativen ist das rot-grün regierte Land Bremen. UJO

Werkverträge: die neue Form der Leiharbeit
Unternehmen in Deutschland nutzen zunehmend Werkverträge, um Kosten zu senken. Das ergibt sich aus Gewerkschaftsumfragen. Laut NGG sind 13 Prozent der 550.000 Beschäftigten in der Ernährungswirtschaft Leih- oder Werkvertragsarbeitnehmer – Tendenz steigend. Dabei ersetzen Werkverträge zunehmend Leiharbeit, so das Ergebnis einer Befragung von knapp 400 Betriebsräten. Grund dafür dürfte der seit Kurzem gültige Mindestlohn für Leiharbeiter sein (7,01 in den neuen, 7,89 Euro in den alten Bundesländern). Für Werkvertragsarbeiter gibt es keine gesetzliche Lohnuntergrenze. Deshalb verdienen sie mitunter weniger als fünf Euro die Stunde. Eine Umfrage der IG Metall ergab, dass in Baden-Württemberg mehr als 70 Prozent der Betriebe Werkverträge nutzen. In jedem zweiten Betrieb werden auf diese Weise Stammarbeitsplätze abgebaut, so Betriebsräte. Bei einem Werkvertrag beauftragt eine Firma eine andere mit Arbeiten im eigenen Betrieb. Unter welchen Bedingungen die Beschäftigten des Subunternehmens ihren Job erledigen, wird nicht festgelegt. Die Gewerkschaften fordern deshalb einen gesetzlichen Mindestlohn, der auch für Werkverträge gelten soll. UJO

Neue Beratungsstelle für Wanderarbeiter
Mit einem neuen Beratungsangebot will die Stadt speziell Arbeitern aus Osteuropa zu ihren Rechten verhelfen. Vor allem Rumänen und Bulgaren würden oft „unter fragwürdigen Bedingungen“ auf Baustellen oder in der Gastronomie arbeiten, so Projektleiter Rüdiger Winter. Das von Sozialbehörde und Europäischem Sozialfonds geförderte Projekt ist beim Gewerkschaftsbund (Besenbinderhof 60) angesiedelt. Telefon: 28 40 16 70, Internet: www.hamburg.arbeitundleben.de. UJO

Kinder- und Jugendarbeit in Gefahr
Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) will den Etat seiner ­Behörde bis 2013 um insgesamt 67,5 Millionen Euro kürzen. Insbesondere die geplanten Einsparungen bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit stoßen auf Protest. Hier will die Sozialbehörde 3,5 Millionen Euro, also zehn Prozent, kürzen. Die Aufgaben sollen teilweise künftig von Ganztagsschulen wahrgenommen werden. Mehrere Organisationen üben Kritik an dem Vorhaben. So befürchtet der Verband der Kinder- und Jugendarbeit Hamburg, dass zahlreiche Einrichtungen schließen müssten, wenn das Kürzungsvorhaben tatsächlich umgesetzt wird. Auch der Landesjugendhilfeausschuss hat sich gegen die Kürzungen ausgesprochen. BELA

Zu viel Arbeit für Jugendämter
2011 mussten sich die Hamburger ­Jugendamtsmitarbeiter im Schnitt um 42 bis 50 Kinder gleichzeitig kümmern. Die GAL fordert eine Begrenzung auf 35 Fälle. Ihr Antrag wurde in den Jugendausschuss überwiesen. Zuletzt hatte
im April der Fall eines neunjährigen ­Mädchens Schlagzeilen gemacht. Es soll ­jahrelang misshandelt worden sein. ­Obwohl das Jugendamt 2010 informiert worden sei, habe es nicht reagiert. BELA

Saga will Geld von Stadtteilinitiativen
In Mümmelmannsberg prüft das städtische Wohnungsunternehmen Saga/GWG die kostenlose Nutzung seiner Räume für rund 20 Stadtteilinitiativen. Einige Projekte sollen in Zukunft Betriebskosten bezahlen. „Es gibt in Mümmelmannsberg eine Menge guter Initiativen“, sagt Unternehmenssprecher Michael Ahrens. „Und dann gibt es Modell­bauer und Saunaclubs.“ Initiativen wie der multinationale Elternverein sind verunsichert und fürchten, ihre Arbeit nicht fortsetzen zu können. Die Verhandlungen laufen noch. BELA

Weniger Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide
Erstmals seit Einführung der sogenannten Arbeitsmarktreformen ist die Zahl der Klagen gegen Bescheide der Jobcenter gesunken. 170.488 gingen vergangenes Jahr bei den Sozialgerichten ein, 9000 weniger als 2010, meldete das Bundes­-sozialgericht. Auch in Hamburg sank die Zahl der Verfahren: 2588 Klagen (2010: 2665) und 1805 Eilverfahren (2010: 2095) zählte das hiesige Sozialgericht. UJO

Hartz IV: Mehr Sanktionen, weniger Betrug
Die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ist auf einem Rekordstand: 912.377 Strafen verhängten Jobcenter 2011, im Jahr zuvor waren es 829.375. In fast zwei Drittel der Fälle waren Meldeversäumnisse Grund für die Sanktion, so die Bundesagentur für Arbeit. Die Linkspartei wies darauf hin, dass 2011 bundesweit 42 Prozent der Widersprüche und 52 Prozent der Klagen gegen Sanktionen erfolgreich waren. Die BA erklärte, dass es nicht um Sozialbetrug gehe. Dort ­gehe die Zahl der Fälle zurück: In 2011 leiteten die Jobcenter 177.500 Verfahren ein – fast 50.000 weniger als 2010. UJO

Euro-Krise lässt Arbeitslosigkeit steigen
Die Arbeitslosigkeit im Euro-Raum ist auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Im Februar gab es in den 17 Euroländern mehr als 17 Millionen Arbeitslose, so das Europäische Statistikamt. Das entspricht ­einer Quote von 10,8 Prozent. Innerhalb eines Jahres sind 1,5 Millionen Arbeitslose hinzugekommen. Den stärksten Anstieg gab es in Griechenland: von 14,3 auf 21 Prozent. Hierzulande lag die Quote im Februar mit 5,7 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. BELA

Geld für Kinder fließt in Stadtkasse
In Hamburg wurde ein Drittel des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder von Hartz-IV-Empfängern nicht in Anspruch genommen. Von 45,2 Millionen Euro Bundesmitteln gab die Stadt nur 30,2 Millionen Euro aus. Die restlichen 15 Millionen Euro fließen in die Stadtkasse. Die Gewerkschaft für ­Erziehung und Wissenschaft kritisierte, die Stadt würde ihren Haushalt „auf Kosten von Hartz-IV-Kindern“ auffüllen. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) wies Vorschläge zurück, mit dem Geld Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit zu kompensieren. „Es soll aber auf jeden Fall armen Menschen zugute kommen“, so Scheele gegenüber Hinz&Kunzt. BELA

Medizinische Hilfe für Flüchtlinge
Asylbewerber erhalten ab Juli in Hamburg eine Krankenversichertenkarte, um ihnen Arztbesuche zu erleichtern. Allerdings erhalten sie weiter geringere Versorgungsleistungen als deutsche Staatsbürger. Menschen ohne Papiere können in einer Clearing-Stelle medizinische Hilfe bekommen, ohne eine Abschiebung befürchten zu müssen. Die Sozialbehörde hat dafür zunächst 500.000 Euro zur Verfügung gestellt. BELA