(aus Hinz&Kunzt 217/März 2011)
Hartz IV: Fünf Euro mehr
364 Euro sollen ab sofort Langzeitarbeitslosen zum Leben reichen. Darauf haben sich Bundesregierung und Opposition geeinigt. Rückwirkend zum 1. Januar 2011 soll der Regelsatz beim Arbeitslosengeld II um fünf Euro steigen, Anfang 2012 um weitere drei Euro. Bis 2013 fließen außerdem 400 Millionen Euro mehr pro Jahr in das sogenannte Bildungspaket für Kinder von ALG-II-Empfängern. HAN
Mehr Druck auf Arbeitslose
Der Druck auf Arbeitslosengeld-II-Empfänger wächst. Das ergibt sich aus Antworten der Bundesregierung auf eine Bundestagsanfrage der Linkspartei. Demnach stieg die Zahl der Menschen, denen die Jobcenter wegen „mangelnder Mitwirkung“ die Hilfe kürzten oder strichen, innerhalb der ersten neun Monate 2010 im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent – obwohl die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger insgesamt sank. 610.599 Sanktionen wurden zwischen Januar und September vergangenen Jahres verhängt. 4,2 Prozent aller Hilfeempfänger bekamen mindestens ein Mal das Geld gekürzt, im Schnitt um 120,90 Euro. In zwei Drittel der Fälle verhängte das Jobcenter eine Sanktion, weil Arbeitslose nicht zu einem Termin erschienen waren.
Bei Arbeitslosengeld-I-Empfängern ist die „Sanktionsquote“ von 18 Prozent (2006) auf 27 Prozent (2010) gestiegen. UJO
Immer mehr Niedriglöhner
36.459 Hamburger gehen zur Arbeit und müssen dennoch ergänzend Hilfe vom Jobcenter beziehen. Das geht aus Statistiken der Bundesagentur für Arbeit hervor. Bundesweit hat sich die Zahl der sogenannten Aufstocker von 1,3 auf 1,4 Millionen Menschen erhöht. Vor allem in der Gastronomie, im Handel und in der Zeitarbeit werden oft sehr niedrige Löhne bezahlt. Hinzu kommt, dass Vollzeitjobs abgebaut werden. Nach Einschätzung der Gewerkschaften gehören Teilzeitkräfte und Minijobber in manchen Branchen zum Geschäftsmodell. In der Zeitarbeitsbranche könnte das demnächst schwieriger werden: Als Teil der Hartz-IV-Reform (siehe oben) haben Bundesregierung und Opposition vereinbart, für alle Zeitarbeiter einen Mindestlohn einzuführen. UJO/HAN
Rechnungshof: Wohnungslosen besser helfen!
Der alte Senat hat sich nicht ausreichend um Wohnungslose gekümmert. Das kritisiert der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht. Zwar gebe die Stadt jährlich gut 50 Millionen Euro für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit aus und habe ein neues, teureres Hilfesystem eingerichtet. Doch lebten nicht weniger Menschen in den Unterkünften als zuvor. Den Fachstellen müssten mehr Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, „die Wohnungswirtschaft muss zumindest die zugesagten Zielzahlen an Mietverhältnissen tatsächlich erfüllen“, so der Rechnungshof. Präsident Jann Meyer-Abich: „Wenn Wohnungslose statt im Heim auch in der eigenen Wohnung untergebracht werden können, ist dies nicht nur für sie eine erfüllte Hoffnung, sondern für Hamburg auch billiger.“ UJO
St. Pauli: Wo sind die Obdachlosen?
Der Bezirk Mitte hat mit dem Umbau der Kersten-Miles-Brücke begonnen. Die Arbeiten kosten 100.000 Euro und sollen bis Ende April beendet sein.
Mindestens 20 Obdachlose, darunter junge Punks, mussten ihre Schlafplätze unter der Brücke räumen. Vier Polen wohnen jetzt in einer Notunterkunft
in Jenfeld. Wo sich die übrigen Obdachlosen befinden, konnte das Bezirksamt auf Nachfrage nicht sagen. HAN
Reguliert den Wohnungsmarkt!
Hamburg darf die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum nicht allein den Kräften des Marktes überlassen. Das haben Experten auf der „Zweiten Konferenz zur sozialen Spaltung“ gefordert. Der Wohnungsmarkt habe sich zu einem Markt für Kapitalanleger gewandelt. Das Kapital aber konzentriere sich auf Gebiete mit leicht vermietbaren Beständen, sodass in weniger attraktive Quartiere kaum investiert werde. Vor allem fehlten kleine preiswerte Wohnungen in Hamburg. UJO
Ried-Siedlung: Letzte Mieterin muss weichen
Die letzte Mieterin eines zum Abriss bestimmten Wohnblocks der alten Ried-Siedlung in Horn hat den Kampf ums Wohnrecht auch in letzter Instanz verloren. Die Kündigung durch die Saga sei rechtskräftig, entschied der Bundesgerichtshof im Februar. Der Abriss der 30er-Jahre-Siedlung und der Neubau öffentlich geförderter Mietwohnungen an gleicher Stelle sei „eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks, weil sie auf vernünftigen und nachvollziehbaren
Erwägungen beruhen“ (Az.: VIII ZR 155/10). Ob die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat, ist umstritten. UJO
Auszeichnung für Rüdiger Nehberg
Rüdiger Nehberg ist von der Stadt Hamburg mit der „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes in Silber“ geehrt worden. Der 75-jährige Gründer der Menschenrechtsorganisation „Target“ engagiert sich gegen die Genitalverstümmelung von Frauen – gemeinsam mit muslimischen Gelehrten. Laut einer Studie der Hilfsorganisation „Plan“ sind auch Frauen und Mädchen in Hamburg von Genitalverstümmelung betroffen. Jede dritte Afrikanerin in der Hansestadt, die aus einem Land stammt, in der der grausame Brauch praktiziert wird, sei beschnitten. UJO
Weniger Drogentote
Die Zahl der Drogentoten in Hamburg ist weiter gesunken. Vergangenes Jahr starben 53 Menschen an den Folgen des Konsums illegaler Drogen, so die Gesundheitsbehörde. Das seien zwölf
weniger als 2009. Im Vergleich zu 2001 habe sich die Zahl sogar halbiert. Vor allem Überdosen von Betäubungsmitteln, etwa Heroin oder Substitutionsmittel in Verbindung mit anderen Drogen, verursachten die Todesfälle. UJO
Auf dem Weg zum gläsernen Bürger
Hamburgs Behörden sammeln zunehmend Bankdaten von Bürgern. Das ergeben Senatsantworten auf eine Bürgerschaftsanfrage der Linkspartei. Demnach stellte die Finanzbehörde vergangenes Jahr 4263 sogenannte Kontenabrufersuche, im Jahr 2005 waren es 710 gewesen. Im Zuge einer solchen Anfrage teilt das Bundeszentralamt für Steuern Stammdaten wie Name, Geburtsdatum, Anzahl und Nummern von Bankkonten mit, nicht aber Kontostände und -bewegungen. Auch das Jobcenter (ehemals Arge) interessiert sich zunehmend für Bankdaten: Wurden 2007 noch sieben Kontenabfragen gezählt, waren es 2010 schon 622. Bundesweit wurden 2010 in rund 58.000 Fällen Kontostammdaten abgefragt – 560 Prozent mehr als 2005. Der Bundesdatenschutzbeauftragte macht ausgeweitete Kontrollbefugnisse der Behörden für den Anstieg verantwortlich. UJO
Neue Sprechstunde für Papierlose
Medizinischen Rat für Menschen ohne Papiere bietet das Diakonie-Zentrum für Wohnungslose an (Bundesstraße 101). Die ärztliche Sprechstunde steht allen Einwanderern aus Nicht-EU-Staaten offen, die ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Hamburg leben. Das Angebot ist anonym und kostenlos. UJO
Wellnesstag für Obdachlose
Zum dritten „Wohlfühlmorgen“ für Obdachlose und Menschen mit geringem Einkommen laden der Caritasverband und weitere Organisationen ein. Reichhaltiges Frühstück, warme Duschen, Friseur und Maniküre: In der Sankt-Ansgar-Schule soll nichts fehlen. Sozial- und Rechtsberatung sowie eine zahn- und tierärztliche Sprechstunde runden das Angebot ab. UJO
Sonnabend, 26. März, 10–13 Uhr, Bürgerweide 33
Endlich mehr Schutz für Kindergärten
Die Bundesregierung will Kindergärten und Spielplätze besser vor den Klagen genervter Anwohner schützen. Das teilte das Bundesumweltministerium mit. Das Gesetz zur Privilegierung sogenannten Kinderlärms solle ein „Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft“ setzen. Rufe und Schreie von Kindern sollen, so die neue Definition, im Regelfall keine „schädliche Umwelteinwirkung“ mehr sein. Grenzwerte, die für Industrie- und Sportanlagen gelten, sollen für Kitas und Spielplätze nicht mehr herangezogen werden. Außerdem soll das Baurecht so geändert werden, dass Behörden Kindergärten auch in reinen Wohngebieten grundsätzlich zulassen sollen. In der Vergangenheit waren auch in Hamburg wiederholt Bürger gegen Betreiber von Kitas vorgegangen, weil sie sich von Kindergeräuschen gestört fühlen. UJO
Caritas: Familienpflegezeit per Gesetz regeln!
Die Caritas hat die Bundesregierung aufgefordert, die Familienpflegezeit gesetzlich zu regeln. „Um dem Unterstützungsbedarf pflegender Angehöriger umfassender als bisher gerecht zu werden, reichen freiwillige Vereinbarungen nicht“, so Caritas-Präsident Peter Neher. Nach den Plänen der Regierungskoalition soll die Pflegezeit in den Betrieben auf freiwilliger Basis vereinbart werden. So will Familienministerin Kristina Schröder (CDU) möglich machen, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit zwei Jahre lang um 50 Prozent reduzieren können, um zu Hause Angehörige zu pflegen. In dieser Zeit sollen sie 75 Prozent des Gehalts bekommen. In den folgenden zwei Jahren sollen sie wieder voll arbeiten, aber weiter 75 Prozent ihres Lohns erhalten. UJO