Meldungen: Politik und Soziales

(aus Hinz&Kunzt 202/Dezember 2009)

Steigende Mieten: Senat ist gefordert
In Hamburg könnten deutlich mehr Wohnungen gebaut werden, wenn der Senat beim Verkauf städtischer Liegenschaften nicht nur ans Geld denken würde. Die Grundstückspreise seien zu hoch, das Genehmigungsverfahren zu kompliziert, erklärte Sun Jensch vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) auf einer Podiumsdiskussion der Patriotischen Gesellschaft Ende ­Oktober. „Das macht den Bau von Mietwohnungen leider wirtschaftlich unattraktiv“, sagte sie. Hauptproblem sei, dass die Finanzbehörde freie Grundstücke stets an den Meistbietenden verkaufe.
Matthias Kock, Abteilungsleiter bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), erklärte dazu, die BSU setze sich in Gesprächen mit der Finanzbehörde schon länger dafür ein, vom Höchstpreisverfahren abzurücken.
Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin des Vereins Mieter helfen Mietern, wies auf die Schwierigkeiten von Familien, Migranten und Geringverdienern hin, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Mieten in Hamburg stiegen ­immer weiter. Grund dafür sei, dass die privaten Bau­unter­nehmen vor allem Eigentumswohnungen bauten oder aus Gewinninteresse Miet- in Eigentumswohnungen umwan­delten. Gegen diesen Trend müssten nicht wie 2008
knapp 1000, sondern mindestens 5000 bis 6000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. HAN

Senat will Sozialwohnungen schützen
Mit einem neuen Förderprogramm will der Senat dem dramatischen ­Verlust von Sozialwohnungen entgegenwirken. Das Programm richtet sich vor allem an Vermieter. Diese bekommen von der Stadt 15.000 Euro, wenn sie
an ­Menschen vermieten, die auf dem Wohnungsmarkt kaum Chancen ­haben, etwa psychisch Kranke. Bis ­Jahresende ­stehen Fördermittel ­von 1,5 Millionen Euro für 100 Wohnungen bereit. UJO

Mehr Hilfe auf der Straße
Vier neue Sozialarbeiter sind seit ­November auf Hamburgs Straßen ­unterwegs. Sie sollen sich speziell um junge Obdachlose kümmern, etwa Streetpunks oder minderjährige Prostituierte. Das Programm kostet laut Sozialbehörde jährlich 180.000 Euro. UJO

Portugiese niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt
Fremdenfeindliche Attacke in Hammerbrook: Ein NPD-Sympathisant hat Mitte November einen dunkelhäutigen Portugiesen niedergeschlagen. Zuvor hatte er ­einen
NPD-Aufkleber am Auto des 37-Jährigen befestigt. Als ­dieser den Täter ansprach, wurde der ­bislang ­Unbekannte gewalttätig. Anschließend floh er als ­Beifahrer in einem wartenden Kleinwagen. Das Opfer wurde so schwerverletzt, dass es nur dank ­einer Notoperation überlebte. Bei Redaktionsschluss lag er mit schweren Hirnverletzungen im Krankenhaus. Der Staatsschutz ermittelt. UJO

Tod auf der Straße
Gleich zwei Obdachlose sind in den vergangenen Wochen auf tragische Weise ums Leben gekommen. Ein 52-Jähriger wurde Mitte November ­nahe den Landungsbrücken leblos
in einem Verschlag entdeckt. Laut ­Obduktion starb der Mann, der unter dem Spitznamen „Irek“ als ­Flaschensammler unterwegs war, an ­einer ­Fettembolie als Folge eines ­unglücklichen Sturzes. Bereits Ende Oktober hatte sich ein 40-jähriger ­Obdachloser versehentlich selbst ­angezündet. Er erlag im Krankenhaus seinen Verbrennungen. UJO

Bundespräsident Köhler: Straßenmagazine kaufen!
Bundespräsident Horst Köhler hat die Bundesbürger aufgefordert, Straßen­magazine zu kaufen und zu lesen. „In Straßenzeitungen erfahren wir, wie es ist, auf der Straße zu leben, welche Probleme und Sorgen Obdachlose ­haben, und was wir tun können, um ­ihnen zu helfen.“ Zudem würden die Straßenzeitungen auch über andere ­soziale Themen informieren, „und das meist aus einem anderen Blickwinkel als dem, den wir aus den großen Zeitungen kennen“. Vor allem aber böten die Projekte „eine Chance für dieje­nigen, die auf der Straße leben“. UJO

Sozialetat: Massive Kürzungen in Aussicht
Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW) befürchtet heftige Einschnitte in Hamburgs Sozialpolitik, mehr noch: Verstoß gegen die geltenden Sozialgesetzbücher, die Beschränkung von gesetzlichen Ansprüchen und den Aufbau neuer Hürden für Hilfe­empfänger. ­Hintergrund sind die Sparpläne und so­genannten Goldenen Regeln von Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU).
Die AGFW warnt vor den Kürzungen: Ausgaben dort seien „Zukunftsinvestitionen“. Wer etwa bei der früh­zeitigen Förderung von Kindern spare, verursache mittel- und ­langfristig hohe Folgekosten. Die Wohlfahrts­verbände machen auch Sparvorschläge: Das in Hamburg zu findende Parallelsystem der Vorschulbetreuung“ könne „ohne ­Nachteile für den Bildungserfolg“ aufgelöst ­werden. Auch die sogenannte Eingliederungshilfe, zum Beispiel für ­psychisch kranke Menschen, biete „enorme Potenziale“. Hier könnten Kosten etwa an Krankenkassen übertragen und gleichzeitig die Hilfen verbessert werden. Auch die ­Opposition kritisiert die Sparpläne. Den Wunsch nach „Aufbau von Hürden für die Inanspruchnahme von ­Leistungen“ findet die SPD-Familienexpertin Carola Veit den „wohl traurigsten Satz, den jemals ein Sozialsenator in Hamburg aufgeschrieben hat“. UJO

Spendenparlament hilft 20 sozialenOrganisationen
257.151 Euro: Diese Summe hat das Hamburger Spendenparlament auf seiner 43. Arbeitssitzung im November ­verteilt. Unterstützt werden damit 20 soziale Organisa­tio­nen: Förderprojekte für Kinder, Jugendliche und junge ­Familien sowie Hilfseinrichtungen für Obdachlose. Auch Hinz&Kunzt greift das Spendenparlament dieses Mal ­unter die Arme: mit 33.700 Euro für den erforderlichen Umbau von ­Duschen, Toiletten und Aufenthaltsraum.
Seit 1996 hat das Hamburger Spendenparlament 5,4 Millionen Euro für gute Zwecke verteilt. Wer mitmachen will: Schon mit fünf Euro im ­Monat erhalten Interessierte Sitz und Stimmrecht im Par­lament. UJO

Wohnungslose: Sehnsucht nach Privatsphäre
Wohnungslose wollen sich nicht mit ­anderen ein Zimmer teilen. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen ­Befragung, die Hinz&Kunzt in Auftrag gegeben hat. Die Studie unter Leitung von Professor Harald Ansen (HAW), für die 125 Betroffene befragt wurden, erscheint Ende Dezember in „Standpunkt sozial“. UJO

Kein Grund zur Entwarnung
Insgesamt rund 227.000 Menschen in Deutschland mussten vergangenes Jahr in Notunterkünften oder auf der ­Straße leben, davon sind allein 20.000 obdachlos. Das schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) auf Grundlage verschiedener neuer Statistiken.
Im Vergleich zu 2007 sei die Zahl der Wohnungslosen ­damit um 15.000 gesunken. Gut 100.000 Menschen waren 2008 laut BAGW unmittelbar vom Verlust ihrer Wohnung bedroht. Präventionsangebote müssten deshalb weiter ­ausgebaut werden. UJO