Asyl in der Synagoge : „Man darf sich nicht verstecken“

Wolfgang Seibert ist Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Pinneberg. Und die hat jetzt einen Flüchtling aufgenommen und gewährt Kirchenasyl – oder besser gesagt: Synagogenasyl. Das erste Mal deutschlandweit. Wir haben Wolfgang Seibert besucht.

(aus Hinz&Kunzt 259/September 2014)

Religion und Gewalt.  Auch für Wolfgang Seibert  ist es schwierig, mit  gewissen Stellen im Koran, in der Bibel und der Thora umzugehen.
Religion und Gewalt. Auch für Wolfgang Seibert ist es schwierig, mit gewissen Stellen im Koran, in der Bibel und der Thora umzugehen.

Er stand unter der Dusche, als die Anfrage kam, ob er einen Flüchtling aufnehmen wolle – ins Kirchenasyl. „Kann ich zurückrufen?“, hatte Wolfgang Seibert, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Pinneberg, gefragt. Nicht etwa, weil er große Bedenken gehabt hätte. Aber er wollte sich wenigstens abtrocknen – und den Vorstand und den Rabbiner fragen … „Die Entscheidung hat keine zwei Minuten gedauert“, sagt er, als wir Wochen später auf der Terrasse hinter dem Gemeindehaus sitzen. Der Vorstand hat sofort Ja gesagt. Und der Rabbiner ebenso: „Das ist gut, was ihr macht. Das ist ein göttliches Gebot.“

Und dann kam Ashraf, ein Flüchtling aus dem Sudan. Jetzt liegt er gerade etwas gelangweilt auf dem Bett. Reden möchte er nicht. Soll er nicht, weil wohl gerade Entscheidungen anstehen. Wenn er keinen Schutz in Pinneberg gefunden hätte, wäre der Tischler zurück nach Ungarn abgeschoben worden. In das Land, in dem momentan Ausländer, Obdachlose und Andersdenkende verfolgt werden, wollte er auf ­keinen Fall zurück. Und Wolfgang Seibert wollte nicht, dass ein Mensch dahin ausgeliefert wird.

Von einem auf den anderen Tag stand die jüdische Gemeinde und vor allem Wolfgang Seibert im Mittelpunkt. Er ist in sämtlichen Medien, bekommt Anrufe von überallher. Andere jüdische Gemeinden wollen wissen, wie das funktioniert mit dem Kirchen- oder in diesem Fall Synagogenasyl.

Erst da sei im klar geworden, sagt der 66-Jährige, „dass wir die erste jüdische Gemeinde sind, die einen Flüchtling in Not aufnimmt“. Unverständlich ist ihm das. „Schließlich wissen wir genau, wie es ist, Flüchtling zu sein und irgendwo illegal zu leben. Da muss man doch helfen.“ … Lesen Sie weiter in der Hinz&Kunzt-Septemberausgabe

Text: Birgit Müller
Foto: Dmitrij Leltschuk