Winternotprogramm : Linke fordert Kälteschutz wenigstens am Sonntag

Zumindest am Sonntag sollen Obdachlose auch tagsüber im Winternotprogramm bleiben dürfen – das hat die Linke am Donnerstagabend in der Bezirksversammlung Mitte gefordert. Die SPD stimmte dem zu, die Grünen vorerst nicht. Nun soll ein Ausschuss eine Lösung finden.

BV2
Politiker der Bezirksversammlung beratschlagen über eine Öffnung des Winternotprogramms am Sonntag.

Egal wie kalt es ist, egal wie stark es regnet oder schneit – um 9 Uhr morgens müssen die Menschen aus dem Winternotprogramm raus auf die Straße. Erst um 17 Uhr dürfen sie wieder rein. In der Zwischenzeit, so argumentiert die Sozialbehörde, sollen sie Beratungsstellen und Tagesstätten aufsuchen. Dort fehlt es an Platz, Zeit und warmem Essen. Wenn beispielsweise alle Stühle im Herz As besetzt sind, bleibt die Tür zu – so lange, bis wieder ein Platz frei wird. Mit Wartemarken in der Hand harren die Leute dann in der Kälte aus.

Mit der Schließung des Winternotprogramms am Tag nehme die Stadt in Kauf, dass Obdachlose in der Kälte frieren und krank werden, schreibt die Linke in ihrem Antrag an die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. „Kein Mensch mit einer sozialen Einstellung kann das nachvollziehen“, sagt Fraktionschefin Christine Detamble-Voss. Die Regelung sei nur damit zu erklären, dass man es den Obdachlosen erschweren wolle, sich im Winternotprogramm wohl zu fühlen. Dem sollte der künftige Bezirksamtschef oder die künftige Bezirksamtschefin ein Ende setzen und sich für eine Öffnung am Sonntag stark machen.

Sonntags ist fast alles zu – kalt ist es trotzdem

Die Linke berief sich auch auf die Online-Petition von Hinz&Kunzt, in der mehr als 58.000 Menschen die Öffnung des Winternotprogramms am Tag fordern. Den Sonntag tagsüber zu öffnen, sei eine „Minimalforderung“, sagte Christine Detamble-Voss. Gerade am Sonntag, wenn Geschäfte und öffentliche Gebäude geschlossen sind, seien viele Obdachlose der Kälte schutzlos ausgeliefert. Dass die Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) in Zukunft kranken Bewohnern des Winternotprogramms erlauben will, tagsüber drinnen zu bleiben, wertete sie als „Realsatire“: Demnach würden die Leute vor die Tür geschickt, wo ihre Gesundheit in Gefahr sei – und erst wenn sie krank zurückkämen, dürften sie tagsüber im Warmen bleiben.

Die SPD-Fraktion stimmte den Linken zu: „Jetzt muss etwas getan werden und nicht erst später“, sagte Martina Hamester. Die Grünen wollten dagegen nichts überstürzen. Der Antrag der Linken gehe nicht weit genug, argumentierte der Abgeordnete Lothar Knode. Das Problem sei deutlich komplexer, als dass es mit einer Sonntagsöffnung gelöst werden könnte. So müsste erst einmal geklärt werden, ob damit auch denen geholfen würde, die keine andere Chance haben. „Es ist schon längst der Fall, dass anerkannte Asylbewerber aus Schleswig-Holstein hierher kommen, um zu arbeiten, und im Winternotprogramm übernachten“, sagte Lothar Knode, der früher in der Wohnungslosenhilfe und als Straßensozialarbeiter arbeitete. Neben „klassischen Obdachlosen“ kämen bisweilen auch Wanderarbeiter aus anderen Ländern im Winternotprogramm unter. Und für diese Gruppe sei das Winternotprogramm ursprünglich nicht gemacht. Jetzt müsse an einer Lösung für alle gearbeitet werden.

Trotz des Dauerfrostes stimmten die Fraktionen dem Antrag nicht zu, sondern überwiesen ihn in einen Ausschuss der Bezirksversammlung: Am Donnerstag, 28. Januar, treffen sich Politiker zum Ausschuss für Soziales, Integration und Sport. Dort müsse auch mit Fachleuten beratschlagt werden, sagte Lothar Knode. Die Bezirksversammlung stimmte dem zu. Die Entscheidung über den Antrag der Linken steht damit noch aus. Allerdings: Sollte die Bezirksversammlung für eine Tagesöffnung des Winternotprogramms stimmen, muss die zuständige Sozialbehörde diese nicht umsetzen.

Text und Foto: Annabel Trautwein