Bürgerschaft : Kritik an Senatskonzept gegen akute Wohnungsnot

300 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr, 300 zusätzliche Saga-Wohnungen für bedürftige Menschen – so will der Senat die Not vordringlich Wohnungssuchender lindern. In der Bürgerschaft gab es dazu heftigen Gegenwind. Die Debatte ist noch nicht vorbei.

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Schon seit Jahren fordern Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe Lösungen für Menschen in akuter Wohnungsnot.

Tausende Menschen in Hamburg suchen dringend eine Wohnung und finden keine: Obdachlose, Menschen mit Behinderung, Senioren oder Familien, die nach der Geburt eines Kindes zusammengepfercht in zu kleinen Wohnungen hausen. Ihnen will der Senat nun helfen – mit einem „Gesamtkonzept zur besseren Versorgung von anerkannt vordringlich Wohnungssuchenden“. Zwei Lösungen sieht es vor: Den Neubau von weiteren Sozialwohnungen, und zwar 300 mehr als bisher geplant. Und eine höhere Verpflichtung der städtischen Saga GWG, Wohnungen an vordringlich Suchende zu vermieten. Auch hier soll um 300 Wohneinheiten aufgestockt werden.

„Das sind doch keine Lösungen!“, kritisierte Jörg Hamann von der CDU am Donnerstagabend in der Bürgerschaft. Für die gesamte Opposition ist klar: Die Ziele des Senats reichen nicht. Denn der Bedarf liegt deutlich höher – das räumt auch der Senat ein. 8000 Haushalte mit dringendem Bedarf sind demnach zurzeit unversorgt.

CDU: „Wir haben Verantwortung für diese Menschen“

Die Zahl der Wohnungen, mit der der Senat gegensteuern will, ist deutlich geringer. Bisher waren 2.000 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr geplant, die Saga GWG sollte zusätzlich 1.700 Wohnungen für vordringlich suchende Menschen bereitstellen. Nun kommen 600 Einheiten oben drauf. Insgesamt also 4.300 Wohnungen jährlich – das sei immer noch nicht ausreichend, sagte Jörg Hamann. Immer mehr Hamburger gerieten in Wohnungsnot, doch der Senat biete kein Konzept, das dieses Problem löse. „Wir sprechen hier über Menschen, die sich selbst nicht helfen können, für die wir Verantwortung haben“, mahnte der CDU-Politiker. „Dieses Papier ist mangelhaft.“

Für die Linke kam das Konzept viel zu spät. Seit 2014 gebe es runde Tische, die an einer Lösung für Menschen in Wohnungsnot arbeiteten, erinnerte Heike Sudmann, Sprecherin für Wohnungspolitik. „Warum haben Sie so lange gebraucht?“ Etliche bedürftige Menschen gingen derweil leer aus, kritisierte sie – nur etwa ein Drittel der vordringlich Wohnungssuchenden werde tatsächlich versorgt. „Obdach- und Wohnungslosigkeit lassen sich nur mit wesentlich mehr und länger gebundenen Sozialwohnungen beseitigen“, erklärte Heike Sudmann. „Das geht nicht haushaltsneutral oder zum Nulltarif, dafür braucht es erheblich mehr Fördermittel und Anstrengungen.“ Auch die FDP-Fraktion forderte den Senat auf, die Belegungsbindungen zu verlängern – auch wenn die Stadt dafür Geld an die Vermieter zahlen muss, um Einbußen wegen der geringeren Mieteinnahmen auszugleichen.

Diakonie plädiert seit Monaten für kostenneutrale Lösung

Laut Diakonie geht es noch unkomplizierter: Der Senat müsse nur die sogenannten Freistellungsgebiete aufheben, erklärt sie in einer Stellungnahme. Gemeint sind damit Stadtteile und Quartiere, in denen zwar Wohnungen für Menschen mit B-Schein und für vordringlich Wohnungssuchende bestimmt sind – aber letztendlich ist den Vermietern freigestellt, ob sie diese Gruppen auch berücksichtigen. „Es stimmt schon, dass dabei auch viel an Menschen mit Bedarf vermietet wird, aber nicht an vordringlich Wohnungssuchende“, erläutert Stephan Nagel. Der Fachmann von der Diakonie war dabei, als das Konzept am runden Tisch entworfen wurde. Dort sei der Vorschlag zur Aufhebung der Freistellungsgebiete schon diskutiert worden, sagt er. Doch im Konzept des Senats ist davon nichts mehr übrig. „Da haben sich Partikularinteressen der Wohnungswirtschaft durchgesetzt“, meint Stephan Nagel.

Dabei wäre es so einfach. Bei einer Aufhebung der Freistellungsgebiete würden 600 Wohnungen pro Jahr zusätzlich frei für Menschen, die sie dringend brauchen – im ganzen Stadtgebiet, ohne dass der Senat dafür Geld ausgeben müsse. „Das ist so naheliegend, so einfach und so unproblematisch, dass man schier daran verzweifelt zu verstehen, warum das nicht umgesetzt wird“, kritisiert Stephan Nagel. Stattdessen seien die Freistellungsgebiete verlängert worden.

Was bringt das Senatskonzept gegen akute Wohnungsnot wirklich? Das letzte Wort darüber ist noch nicht gesprochen. Am Ende der Bürgerschaftsdebatte gab sich die SPD geschlagen und stimmte zu, das Thema im Sozialausschuss weiter zu diskutieren. Ganz ohne Anerkennung für das Konzept wollte Dirk Kienscherf von der SPD das Feld jedoch nicht räumen. Die Vorgängersenate hätten sich schließlich gar nicht um die Not der vordringlich Wohnungssuchenden gekümmert, sagte er und fügte hinzu: „Wir packen das Thema an.“

Text: Annabel Trautwein
Fotos: Mauricio Bustamante